Praxis für kleine Heimtiere
Dr. Anja Ewringmann

Physiotherapie


Was ist Physiotherapie und welchen Sinn hat sie?

Die Physiotherapie umfasst die physiotherapeutischen Verfahren der Bewegungstherapie sowie die physikalische Therapie. Als natürliche Heilverfahren werden passive (durch den Therapeuten ausgeführte) und aktive, selbstständig ausgeführte Bewegungen eingesetzt. Zudem kommen physikalische Maßnahmen, wie z.B. Wärme, Kälte oder Druck, zur Anwendung.
Die Physiotherapie findet Anwendung in verschiedensten Bereichen. Sie dient z.B.
  • der Gesunderhaltung des aktuellen Körperzustandes
  • der Wiederherstellung, Verbesserung und Erhaltung physiologischer Bewegungsabläufe
  • der Rehabilitation
  • der Schmerzlinderung
  • der Entspannung

Kurz: Physiotherapie hilft dabei, den Körper wieder in eine natürliche Bewegung zurückzuführen.


In welchen Bereichen wird die Physiotherapie bei Kleinsäugern eingesetzt?

Das Behandlungsspektrum ist sehr vielfältig und umfasst neurologische Erkrankungen und Erkrankungen des gesamten Bewegungsapparates, z.B.:
  • Kopfschiefhaltungen oder Lähmungserscheinungen durch Infektionen mit Encephalitozoon cuniculi
  • Hinterhandlähmung beim Meerschweinchen
  • Bandscheibenerkrankungen (z.B. akute Bandscheibenvorfälle, degenerative Erkrankungen)
  • Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen (z.B. Spondylosen, Arthrosen)
  • Degenerative Gelenkerkrankungen der Gliedmaßen
  • Muskelverspannungen


Die größte Bedeutung kommt der Physiotherapie bei degenerativen Gelenkerkrankungen bei alternden Tieren zu. Viele ältere Patienten leiden unter Veränderungen im Wirbelsäulenbereich: die Bandscheiben verlieren ihre Elastizität, flachen sich ab und/oder verkalken und an den Wirbeln zeigen sich arthrotische Veränderungen. Arthrosen können aber auch an allen anderen Gelenken auftreten. Besonders häufig sind z.B. die Knie- und Sprunggelenke von Meerschweinchen betroffen.


Lendenwirbelsäule eines gesunden Kaninchens





Lendenwirbelsäule eines Kaninchens mit degenerativen Veränderungen: an den Wirbelkörpern finden sich knöcherne Ausziehungen (Spondylosen), Die Zwischenwirbelräume sind unregelmäßig und sehr eng.





Kniegelenk eines gesunden Meerschweinchens


Kniegelenk eines Meerschweinchens mit Arthrose: das Gelenk ist verdickt und es ist kein Gelenkspalt mehr vorhanden.


Welche Symptome deuten auf eine Erkrankung des Bewegungsapparates hin?

Die ersten Symptome sind oft mild und unspezifisch. Sie werden mitunter von Tierhaltern kaum wahrgenommen oder einfach mit dem fortgeschrittenen Alter des Tieres erklärt. Es ist tatsächlich aber auch nicht einfach, solche Erkrankungen früh zu erkennen. Die kleinen Heimtiere sind überwiegend Fluchttiere, die es sich nicht leisten können Schwäche zu zeigen. Andernfalls drohen sie ihren Rang in der Gruppe zu verlieren oder Fressfeinden zum Opfer zu fallen. Sie verstecken daher ihre Probleme so lange wie möglich.
Es gibt zahlreiche Symptome, die Hinweise auf Erkrankungen des Bewegungsapparates liefern können:
Mobilitätsverluste
  • die Tiere bewegen sich weniger
  • sie springen nicht mehr auf erhöhte Ebenen
  • sie bleiben mit den Hinterbeinen hängen, wenn sie ein Hindernis überspringen wollen.
veränderte Ruheposition
  • die Tiere strecken sich nicht mehr entspannt aus
veränderte Sitzposition
  • die Tiere sitzen mit aufgekrümmtem Rücken
  • der Rücken fällt steil nach hinten ab
  • im Sitzen wird nicht die gesamte Sohle aufgesetzt und die Zehen sind leicht gekrümmt
  • ein Hinterbein wird seitlich ausgestellt
  • das Tier sitzt wie ein Frosch: beide Hinterpfoten werden seitlich ausgestellt


„Einlaufen“ nach Ruhephasen: nach längerem Liegen strecken sich die Tiere auffällig lang und laufen dann nur sehr vorsichtig und gehemmt los. Erst nach einigen Schritten/Hopplern läuft die Bewegung wieder physiologisch ab.
  
veränderte Fortbewegung
  • das Tier läuft sehr langsam und vorsichtig.
  • das Tier läuft mit aufgekrümmtem Rücken,
  • es bewegt sich sehr steif,
  • es knickt in der Hinterhand ein oder kippt weg


Unsauberkeit/Inkontinenz
  • die Toilettenschale wird nicht mehr aufgesucht
  • das Tier verliert unkontrolliert Urin
  • das Tier hat Schwierigkeiten Urin abzusetzen (Schmerzäußerungen, unphysiologische Körperhaltung)
Lahmheit
  • das Tier humpelt, da es eine Gliedmaße nicht richtig belasten oder nicht richtig vorführen kann
Wunde Sohlen (Pododermatitis)
  • die Ballen einer oder beider Vorderpfoten sind gerötet und/oder geschwollen
  • die Sohle einer oder beider Hinterläufe ist wund und/oder geschwollen
  • bei Kaninchen: es bestehen Fellverluste an den Ballen der Vorderpfoten oder an den Sohlen der Hinterpfoten, die Haut ist gerötet und geschwollen.


Lähmungserscheinungen
  • Eine oder mehrere Gliedmaßen können nicht mehr bewegt werden.

 

Funktioniert Physiotherapie bei kleinen Heimtieren?

Oh ja! Alle manuellen Techniken lassen sich sehr gut auch bei Kleinsäugern anwenden. Das funktioniert mit ganz viel Einfühlungsvermögen der Physiotherapeutin, reichlich Engagement des Tierhalters – und natürlich mit ausreichend Belohnungen in Form von Leckerli.


Wie sieht die Behandlung aus?

Die Behandlung setzt sich aus zwei Anteilen zusammen: der Behandlung in der Praxis und den Übungen, die zu Hause durchgeführt werden.

Untersuchung/Behandlung in der Praxis

In einer ersten Sitzung, die etwa eine Stunde dauert, erfolgt zunächst eine eingehende Untersuchung des gesamten Bewegungsapparates. Zudem werden bereits einzelne Symptome behandelt. Den Abschluss bildet eine Massage.
Anschließend wird ein Therapieplan mit speziell auf den Patienten angepassten Übungen erstellt und dem Tierhalter zugesandt.
In einer zweiten Sitzung wird der Therapieplan besprochen. Die festgelegten Übungen werden dem Besitzer am Tier demonstriert und mit ihm geübt.
Behandlungen, die ggf. in bestimmten Intervallen durchgeführt werden, beinhalten verschiedene manuelle Techniken und Massage-Techniken, wie z.B.
  • die Dorn-Therapie: dabei werden Verschiebungen gerichtet und Blockaden gelöst (Wirbelverschiebungen und -blockaden, Verschiebungen des Iliosakralgelenkes, Beckenschiefstand, Blockaden an den Rippen, Kiefergelenkverschiebungen, Verkippungen des 1. Halswirbels).
  • die Breuß-Massage: diese basiert auf dem leichten Aufdehnen der Wirbel bei gleichzeitigem Entspannen der umgebenden Muskulatur
  • die klassische Massage: äußerliche, manuelle Behandlung durch Druck, Zug, Schütteln, Streichen und Klopfen. Diese Massageform versteht sich als Reiztherapie, auf die der Organismus antwortet.


Training zu Hause

Das „A“ und „O“ der Therapie ist die Mitarbeit der TierhalterInnen - also von Ihnen!

TierhalterInnen bekommen „Hausaufgaben“ in Form eines Therapie-/Übungsplans. Die Übungen mit dem Tier werden regelmäßig zu Hause durchgeführt. Sie bauen aufeinander auf und steigern sich in ihrem Schwierigkeitsgrad. Dafür sind ca. 2-3 x pro Woche 15 Minuten Zeit einzuplanen. Einige Übungen können auch wunderbar in den Alltag integriert werden.

Die größten Erfolge konnten wir bisher gemeinsam erzielen. Tiere, die regelmäßig – bei akuten Erkrankungen alle 1-2 Wochen – zur Behandlung in die Praxis kommen und zu Hause fleißig trainieren, zeigen oft schnelle Besserungen der Symptomatik.


Wer führt die Physiotherapie durch?

Die Untersuchungen und Behandlungen werden von unserer Tiermedizinischen Fachangestellten Angélique Maywald durchgeführt.

Angi hat eine Physiotherapie-Ausbildung absolviert und mit bestandener Abschlussprüfung die „Zusatzqualifikation für Physiotherapie“ erhalten.

Sie hat seitdem zahlreiche weiterführende Fortbildungen besucht, wie z.B. „Physiotherapie beim Kaninchen“, „Dorn-Therapie für Hunde“, „Die physiotherapeutische Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen bei Kleintieren“ oder „Einführung in die Neurologie“. Weiterhin hat sie erfolgreich einen Kurs zur zertifizierten Medizinischen Trainingstherapeutin abgeschlossen. Diese Medizinische Trainingstherapie (MTT) stellt die Grundlage der Übungen dar, die zu Hause mit den Patienten durchgeführt werden.


Trainingsimpressionen

Erst dehnen, strecken und lockern

 

Dann wird's richtig sportlich

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Balu Physio Balancekissen hinten vorne gerade
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                    Jetzt auch noch Slalom? Ich glaube, .....                               .... wohl eher nicht!


Zur Entspannung eine Massage


Und zum Schluss gibt's ein Tape

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