Praxis für kleine Heimtiere
Dr. Anja Ewringmann

Degu



Besonderheiten von Anatomie, Physiologie und Stoffwechsel

Degus weisen einige Besonderheiten bzgl. ihrer Physiologie und ihres Stoffwechsels auf, die in der Haltung als Heimtier Beachtung finden sollten.


Zucker-Stoffwechsel

Die Insulin-Struktur von Degus unterscheidet sich deutlich von der anderer Säugetiere 9) 10). Sie können an Diabetes mellitus (= Zuckerkrankheit) leiden, wobei der Mechanismus der Diabetes-Entstehung bisher noch nicht abschließend geklärt wurde.

Das Insulin besitzt eine wesentlich geringere biologische Aktivität. Dies kann jedoch durch bestimmte Kompensationsmechanismen (erhöhte Insulin-Konzentration, erhöhte Anzahl an Insulin-Rezeptoren) ausgeglichen werden, so dass der Blutzuckerspiegel stabil bleibt (10). Der Gehalt an Zuckern und Stärke in der natürlichen Nahrung des Degus ist allerdings auch nur gering. Daher besteht die Überlegung, ob die genannten Kompensationsmechanismen nicht ausreichen, wenn diese Nährstoffe in zu hohen Mengen verfüttert werden 11). Allerdings konnten in einem Fütterungsversuch, bei dem Degus über mehrere Wochen Nahrung mit hohem Zuckergehalt erhielten, keine Anzeichen für eine Diabetes-Erkrankung (Linsentrübungen, Zucker im Urin) gefunden werden (12).

Degus dienen als Versuchstiere für die Diabetes-Forschung. Zu diesem Zweck wurden große Populationen von Diabetes-Tieren gezüchtet. Viele der als Heimtiere gehaltenen Degus sollen von solchen Linien abstammen, so dass damit die Erkrankung in die Heimtierhaltung gelangt sein könnte (13-14).

Es ist also möglich, dass eine genetische Veranlagung in Kombination mit einer zucker- und stärkehaltigen Ernährung zu einer Diabetes-Erkrankung führen kann. Weitere Untersuchungen sind allerdings erforderlich, um die genauen Ursachen zu klären.


Verdauungsphysiologie

Zähne

Alle Zähne des Degus besitzen offene Wurzelkanäle, wachsen lebenslang und müssen kontinuierlich abgenutzt werden. Es werden verschiedene Arten des Abriebs unterschieden. Bei der sog. funktionellen Abrasion kommt der Abrieb der Zähne durch Kontakt mit harten Pflanzenteilen zustande. Als sog. parafunktionelle Abrasion wird der Zahnabrieb bezeichnet, der durch Schleifen am Gegenzahn entsteht (15).


Schematische Darstellung eines Schneidezahnes

Im Ober- und Unterkiefer finden sich je 2 Schneidezähne (= Incisivi), die einen kräftig gelb-orange gefärbten Schmelzüberzug besitzen. Die intensive Färbung entsteht durch Einlagerung von Eisenpigment. Das Verhältnis der sichtbaren Anteile der Schneidezähne von Ober- und Unterkiefer beträgt physiologischerweise etwa 1:2. Die oberen Incisivi stehen vor den unteren. Die Zähne sind nur an ihren Vorderfläche mit Zahnschmelz überzogen. Beim Nagen wird so die hintere Fläche der Zähne stärker abgenutzt, woraus sich eine meißelartige Schärfe ergibt (15).

Hinter den Schneidezähnen schließt sich ein zahnloser Kieferteil an, das sog. Diastema.

In jedem Kieferviertel sind 4 Backenzähne vorhanden. Diese stehen mit einer leichten Neigung von etwa 10° im Kiefer, im Unterkiefer in Richtung der Zunge, im Oberkiefer in Richtung der Wangenschleimhaut.

Die Backenzähne sind wie folgt aufgebaut: jeder Zahn besteht aus einem Körper aus Dentin (= Knochenbein), der von allen Seiten (jedoch nicht auf der Kaufläche) mit Zahnschmelz überzogen ist. Im Inneren befindet sich die Pulpa, die quasi das "Leben" des Zahnes darstellt.

Die Kauflächen weisen die angedeutete Form einer 8 auf. Davon leitet sich der Gattungsname Octodon ab.



Schematische Darstellung eines Backenzahnes (Aufsicht auf die Kaufläche)


Zum Zerkleinern der blättrigen Nahrung vollführt der Unterkiefer Mahlbewegungen, die vorwiegend vorwärts-rückwärts gerichtet sind. Der Zahnschmelz, der die härteste Substanz des Körpers darstellt, nutzt sich dabei am wenigsten ab. So entstehen scharfkantige Schmelzfalten, zwischen denen das Futter zerrieben werden kann (15).


Pathophysiologie von Zahnerkrankungen

Zahnerkrankungen sind die häufigsten Erkrankungen des Degus (16). Eine physiologische Kautätigkeit ist auf Dauer nur dann möglich, wenn sich Wachstum und Abrieb der Zähne die Waage halten. Um dies zu erreichen, ist eine intensive Kauaktivität erforderlich, die durch die Fütterung von natürlicher und artgerechter Nahrung (blättriges Grünfutter) erreicht werden kann.


Verschiedene Faktoren können Zahnerkrankungen auslösen:
Futter mit geringem Rohfasergehalt (z.B. Pellets, Körnerfutter, Obst) führt zu verminderter Kauaktivität, einerseits, da diese Nahrung mit nur wenigen Kaubewegungen sehr schnell zerkleinert wird, andererseits weil sie schnell satt macht und in Folge dessen weniger strukturiertes Futter gefressen wird. Dadurch kommt es zu einem reduzierten Abrieb und die Backenzähne werden immer länger. 

Dadurch wird der Kiefer aufgespreizt, so dass sekundär Verlängerungen und Erkrankungen der Schneidezähne resultieren (15) (17) (19)

Primär entsteht jedoch zunächst ein erhöhter Druck auf die Backenzähne, der bis in den Wurzelbereich weitergeleitet wird. Die Folgen sind:

  • eine Entzündung der Zahnwurzeln (und auch des angrenzenden Knochengewebes), so dass die Zahnsubstanz nicht mehr regulär nachgebildet wird. Die Zähne weisen Verfärbungen, Schmelzdefekte und eine Abrundung der sonst so scharfen Kauflächen auf.
  • eine Verbiegung der Zähne, so dass die Kauflächen von Ober- und Unterkiefer sich nicht mehr korrekt treffen. Dies führt dazu, dass die Zahnränder nicht mehr abgerieben werden, so dass spitze Ausziehungen entstehen, die die Zunge bzw. Wangenschleimhaut verletzen.
  • eine sog. retrograde Elongation: die Zähne werden durch den erhöhten Druck immer weiter in den Kiefer „gestanzt“ und können letztlich die knöcherne Zahnfachbegrenzung durchbrechen.
  • eine Lockerung der Zähne, so dass Bakterien eindringen und eitrige Infektionen verursachen, die auch auf den Kieferknochen übergreifen können (15) (17) (19).

Alle diese Veränderungen führen zu starken Schmerzen sowie einer mechanischen Einschränkung der Kautätigkeit, was zu noch stärkerem Überwachsen der Zähne beiträgt – es entsteht ein Teufelskreislauf.

Hartes Futter wird mit vertikalen Kaubewegungen zerquetscht (17). Dabei steigt der Druck auf die Zähne proportional zur Härte der Nahrung (15). Als harte Nahrung sind in diesem Zusammenhang z.B. Pellets, Körner und Gemüsestückchen (frisch und getrocknet) zu nennen. Eine permanente Druckbelastung durch solche Futtermittel zieht die gleichen o.g. Probleme nach sich.

Ein zu geringer Kalzium-Gehalt der Nahrung oder ein ungünstiges Kalzium-Phosphor-Verhältnis des Futters (gewünscht ist ein Verhältnis von etwas 2:1) führt zu Knochenstoffwechselstörungen und reduzierter Zahnqualität (18).

Weitere möglich Ursachen sind genetische Faktoren, die zu Fehlstellungen der Zähne führen oder Traumata 19). Es wird zudem vermutet, dass ein Vitamin D-Überschuss durch intensive Pelletfütterung Zahnerkrankungen begünstigt (20). In wie weit auch ein Vitamin D-Mangel Zu Zahnproblemen führen kann, ist bisher nicht geklärt.


Magen

Der Magen des Degus besitzt kaum Muskulatur und ist sehr dünnwandig (21). Dies hat verschiedene Konsequenzen:
  • Futter kann nicht durch eine Eigenmotorik in den Darm überführt werden. Nur durch neu aufgenommenes Futter wird bereits im Magen befindliche Nahrung in den Darm weitergeschoben.
  • aufgrund der fehlenden Muskulatur können Degus nicht erbrechen.
  • wegen der dünnen Wand kann der Magen sehr schnell aufgasen.

 

Dünndarm

Im Dünndarm erfolgt die Verdauung von leicht verdaulichen Kohlenhydraten, leicht verdaulichen Eiweißen und Fetten. Die Verdauungskapazität für diese Nährstoffe ist allerdings begrenzt, da sie in der natürlichen Nahrung der Degus nur in geringen Mengen vorhanden sind (11, 22).


Blinddarm

 

Der Blinddarm (= Zäkum) fungiert als Gärkammer. Er enthält eine komplexe Bakterienflora, die in der Lage ist, aus der rohfaserreichen, kargen Nahrung, die Degus üblicherweise fressen, verschiedenste Nährstoffe (z.B. Eiweiße, Vitamine) herzustellen (11).


 


Dickdarm

Der Dickdarm wird dem Nahrungsbrei Wasser entzogen. Er dient v.a. der Formung und Fertigstellung der typischen „Knödel“ (23).



Koprophagie

Degus fressen ihren Kot, d.h., sie betreiben Koprophagie. Bis zu 38 % der Kotpellets werden von den Tieren wieder aufgenommen, gründlich zerkaut und gelangen so wieder in den Verdauungstrakt. Im Gegensatz zu den nahen Verwandten, Meerschweinchen und Chinchilla, bei denen eiweißreiche und eiweißarme Kotpellets gebildet werden, konnten bei Degus bisher keine unterschiedlichen Kotarten festgestellt werden (24).

Durch die Koprophagie werden dem Degu einerseits die im Blinddarm produzierten Nährstoffe zur Verfügung gestellt, andererseits können auch schwer verdauliche Rohfaseranteile besser verwertet werden, indem sie erneut dem Verdauungsprozess zugeführt werden (24).

 


Fortpflanzungsphysiologie

Fortpflanzungsdaten

Geschlechtsreife

männlich

weiblich

Dauer Sexualzyklus

              Brunst

Trächtigkeitsdauer

Wurfgröße

Säugezeit


10 - 12 Wochen

12 - 16 Wochen

16 - 22 Tage

2 - 5 Tage

ca. 90 Tage

3 - 10, Nestflüchter

4 - 6 Wochen



Geschlechtsbestimmung

Bei männlichen Tieren besteht ein größerer Abstand zwischen Geschlechtsöffnung und After. Weibliche Degus besitzen eine zapfenartig ausgestülpte Harnröhrenöffnung, die leicht mit der Vorhaut (Präputium) des männlichen Tieres zu verwechseln ist. An den Harnröhrenzapfen schließt sich unmittelbar die Scheidenöffnung an, die eine angedeutete V-Form aufweist und außerhalt der Brunst verschlossen ist. Dahinter liegt, mit sehr geringem Abstand der Anus.

Anogenitalregion eines männlichen Degus

 Präputialöffnung

 After

Anogenitalregion eines weiblichen Degus

1   Harnröhrenöffnung (Harnröhrenzapfen)

 Scheidenöffnung (nur in der Brunst geöffnet)

 After



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