Praxis für kleine Heimtiere
Dr. Anja Ewringmann

Ratte



Haltung

Ratten sind Rudeltiere und dürfen daher nicht einzeln gehalten werden! Die Haltung muss zumindest paarweise oder in Kleingruppen erfolgen.

 Die Rattenhaltung ist in folgenden Konstellationen möglich:

  • gemischtgeschlechtliche Gruppen (die Bocke dann kastriert werden)
  • reine Mädchengruppen
  • reine Böckchengruppen. Unter unkastrierten Böcken kann es allerdings manchmal zu Revierstreitigkeiten mit Beißereien kommen.


Das Rattenheim

Ratten sind sehr aktive, neugierige und intelligente Tiere. Sie buddeln und klettern gerne und benötigen ausreichend Platz und Beschäftigung. Ein Rattenheim muss daher ausreichend groß und gut strukturiert sein, damit die Tiere sich wohlfühlen.

Ein Rattenheim für ein Paar oder eine Kleingruppe (max. 4 Tiere) darf eine Grundfläche von 100 x 50 cm und eine Höhe von 150 cm nicht unterschreiten.

Im Handel erhältliche Rattenkäfige sind in der Regel deutlich zu klein, so dass meist Eigenbauten erforderlich werden. Hierzu eigenen sich v.a. ausgediente Schränke.


Standort und Umgebungsbedingungen

Das Gehege sollte einen Standort mit ausreichender Tageslichtbeleuchtung haben, aber nicht praller Sonnenstrahlung ausgesetzt sein. Als optimale Raumtemperatur werden etwa 18-22° C angesehen; die Luftfeuchtigkeit sollte nicht unter 40 und nicht über 70 % liegen.

Ratten sind ursprünglich eher nachtaktiv, auch wenn in Heimtierhaltung durchaus Aktivitätsphasen am Tage auftreten. Ein Standort im Schlaf- oder Kinderzimmer ist daher ungeeignet. Der Käfig sollte aber auch so stehen, dass die Tiere tagsüber ausreichend Ruhemöglichkeiten haben.


Einrichtung

Das Rattenheim sollte über mehrere Ebenen verfügen, die über Äste, Seile, Röhren, Weidenbrücken oder Leitern miteinander verbunden sind. Als Versteckmöglichkeiten eigenen sich Holz- oder Tonhäuser mit ausreichend großen Eingängen sowie Ton- und große Pappröhren. Als Schlafquartier können zudem Hängematten und Stoffröhren im Käfig befestigt werden.

Trink- und Futtergefäße müssen aus gut zu reinigendem und nicht benagbarem Material bestehen. Zudem ist das Aufstellen von Toilettenschalen sinnvoll.

Über den Einsatz von Laufrädern wird unter Rattenhaltern heftig diskutiert. Zu diesem Thema existiert eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen aus der Versuchstierkunde. Der freiwilligen Nutzungsmöglichkeit werden durchaus positive Effekte zugeschrieben, wie z.B. eine verzögerte Gehirnalterung 20) oder eine Verbesserung der Knochenstruktur 21). Andere Untersuchungen zeigen, dass die Laufradnutzung aber auch ein „Suchtpotenzial“ birgt 22). 

Eine zeitweilige Bereitstellung von Laufrädern im Auslauf, als zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeit, erscheint unproblematisch. Ein Laufrad muss allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllen: es muss einen so großen Durchmesser haben (50-60 cm), dass Ratten mit geradem Rücken darin laufen können und auch der Schwanz beim Laufen nicht ständig nach oben gebogen werden muss. 


Es muss zudem aus unschädlichem, nicht benagbarem Material bestehen, eine geschlossene Lauffläche und Rückwand besitzen und auch sonst so konzipiert sein, dass das Tier sich nicht einklemmen und verletzen kann.


Einstreu

Da Ratten zu Atemwegsproblemen (v.a. Mykoplasmosen) neigen, sollte auf staubende Einstreu verzichtet werden. Für Toilettenschalen können sehr feines Buchengranulat, Lein-/Hanf-/Maisstroh oder feiner Spielplatzsand verwendet werden. Zum Auslegen der Ebenen eignen sich Zeitungspapier, Zellstoff und ungebleichte Küchenrolle. Als Nistmaterial können Baumwolleinstreu, Zellstoff, ungebleichtes Toilettenpapier/Küchenrolle oder Papiereinstreu angeboten werden. Heu und Stroh sind, wegen der Staubentwicklung, ungeeignet.

Mykoplasmose

Bei der Mykoplasmose handelt es sich um eine bakterielle Infektionskrankheit. Sie ist eine der häufigsten Erkrankungen der Ratte. Mykoplasmen werden durch Luftpartikel übertragen und besiedeln den Atmungstrakt. Es entsteht eine chronische und fortschreitende Entzündung von Lungen und Bronchien, in deren Verlauf das Gewebe umgebaut wird, so dass es nicht mehr für den Luftaustausch zur Verfügung steht. Eine vollständige Ausheilung der Erkrankung ist nicht möglich (19).
Da Untersuchungen gezeigt haben, dass nahezu 100 % der Ratten-Hobbyzuchten mit den Erregern durchseucht sind, ist jede Ratte in Heimtierhaltung potenziell gefährdet, Symptome zu entwickeln (19). Dies kann durch verschiedene Faktoren begünstigt werden:

  • Immunsuppression: alle Einflüsse, die das Immunsystem belasten, können Symptome fördern. Dazu gehören z.B. andere Grunderkrankungen (z.B. ein Parasitenbefall), alle Formen von Stress (z.B. schlechte Haltungs- und Fütterungsbedingungen, Rangordnungsstreitigkeiten) oder fortschreitendes Alter.
  • Belastungen der Atemwege, z.B. durch staubende Einstreu, schlechte Haltungshygiene (Bildung von Ammoniak und Schimmel), Zigarettenrauch und zu hohe oder zu geringe Luftfeuchtigkeit


Auslauf


Um Ratten ausreichend zu beschäftigen und zu fordern, sollte täglich Freilauf angeboten werden. Der Auslaufbereich muss allerdings so abgesichert sein, dass die Tiere nicht zu Schaden kommen können (Kabel, Giftpflanzen, Absturz, Einklemmen).

Als Beschäftigungsmöglichkeiten können z.B. Kletterbäume oder Buddelkisten mit ungedüngter Erde oder Spielzeugsand dienen.


Vitamin D in der Rattenhaltung

Ratten benötigen, ebenso wie andere Tiere, Vitamin D, dessen Hauptaufgabe die Regulierung des Kalzium- und Phosphorstoffwechsels im Körper ist. Verantwortlich für diese Vorgänge ist aktives Vitamin D3 (= D-Hormon).

Wie hoch ist der Vitamin D-Bedarf einer Ratte?
Obwohl Ratten eine lange Geschichte als Labortiere haben, gibt es keine konkreten Angaben zum Vitamin D-Bedarf, geschweige denn zu normalen Vitamin D-Gehalten im Blut. Bedarfsangaben finden sich in der Literatur ausschließlich in Bezug auf den Vitamin D-Gehalt des Futters und werden mit 1000 IE/kg Futter (Pellets) 23) bzw. < 1000 IE/kg angegeben (24).
Solche Angaben sind für die Heimtierhaltung allerdings nur mäßig hilfreich, wenn der Anspruch besteht, die Tiere artgerecht ernähren zu wollen.

Was geschieht bei unausgeglichenem Vitamin D-Haushalt?
Ein chronischer Mangel an Vitamin D (= Hypovitaminose D) führt bei Ratten zu verschiedensten Problemen, wie Fruchtbarkeitsstörungen (25-26), Herz-Kreislauf-Erkrankungen (27-28) und – v.a. bei gleichzeitig ungünstigem Kalzium-Phosphor-Verhältnis der Nahrung – zu Knochenstoffwechselstörungen (29-30).
Bei einem Überschuss an Vitamin D (= Hypervitaminose D) kommt es zu Verkalkungen von Weichteilgeweben, wie Nieren, Gefäßen, Herz und Leber (31).

Wie können Ratten ihren Vitamin D-Bedarf decken?
Dies ist theoretisch auf zwei Wegen möglich: entweder durch Sonnenlicht oder durch die Nahrung.
Endogenes Vitamin D: im Körper wird eine Vorstufe des Vitamin D produziert. Diese wird in der Haut durch UV B-Licht in ein Prä-Vitamin D umgewandelt. In der Leber entsteht daraus Vitamin D3, das dann wiederum in der Niere durch ein Hormon (Parathormon) aktiviert wird. So entsteht das für die Stoffwechselvorgänge wichtige D-Hormon.
Problem: es konnte zwar nachgewiesen werden, dass Ratten zur Vitamin D-Synthese durch UV B-Strahlung befähigt sind (32-33), wildlebende Ratten sind allerdings dämmerungs- und nachtaktiv. Nicht auszuschließen ist, dass die Tiere in der Haut extrem sensitive UV B-Rezeptoren besitzen, so dass bereits sehr schwache Strahlung in der Dämmerung für eine Vitamin D-Synthese ausreicht, wie es z.B. auch für nachtaktive Reptilien nachgewiesen wurde (34). Heimtierratten haben jedenfalls keine Möglichkeit zur endogenen Synthese, da UV B-Strahlung nicht durch Fensterglas hindurchdringen kann.

Exogenes Vitamin D:

  • in Grünpflanzen wird eine Vorstufe des Vitamin D gebildet und unter Einfluss von UV-Licht entsteht zunächst Vitamin D2, das durch Fressen der Pflanze in den Körper aufgenommen wird. Es gelangt in die Leber, wird dort in Vitamin D3 umgewandelt und in der Niere aktiviert, so dass D-Hormon entsteht.
  • mit tierischen Lebensmitteln oder Pellets wird Vitamin D3 aufgenommen und anschließend in der Niere aktiviert.

Problem: hohe Vitamin D-Gehalte finden sich v.a. in Lebertran und fettigen Fischen, recht gute Gehalte zudem in Freilandeiern. Die natürliche pflanzliche Nahrung der Ratte enthält dagegen kein oder kaum Vitamin D. Nennenswerte Vitamin D-Gehalte finden sich nur in Pflanzen, die üblicherweise nicht auf dem Speiseplan zu finden sind (Artischocken, Pilze). Als weitere mögliche Vitamin D-Quelle bleiben dann noch Insekten. In Untersuchungen wurde festgestellt, dass gut gefütterte und mit UV B-Licht bestrahlte Futterinsekten durchaus recht hohe Gehalte an Vitamin D aufweisen (35). Wilde Ratten könnten ihren Vitamin D-Bedarf also möglicherweise durch Insekten decken. Die üblicherweise als Futtertiere an Heimtierratten verfütterten Insekten besitzen dagegen nur sehr geringe Vitamin D-Gehalte (36).
Es erscheint also durchaus nicht unsinnig, sich darüber Gedanken zu machen, ob Heimtierratten ausreichend mit Vitamin D versorgt sind.

Was ist zu tun, um eine ausreichende Vitamin D-Versorgung zu gewährleisten?
Um Ratten ausreichend mit Vitamin D zu versorgen, müssen sie entweder supplementiertes Futter oder Zugang zu UV B-Licht erhalten.

Vitamin D-Zufuhr mit dem Futter
Eine zielgerichtete Zufuhr von Vitamin D mit dem Futter ist vor dem Hintergrund wenig belastbarer Bedarfsangaben schwierig. Da die natürliche Nahrung der Heimtierratten kaum Vitamin D enthält, erscheint eine ausreichende Zufuhr mit dem Futter eigentlich nur in Form von Pellets, mit Nahrungsergänzungspräparaten (Vitaminpräparaten) oder mit selbst gezüchteten Insekten möglich.
Pellets gehören eigentlich nicht auf den Speiseplan, schon gar nicht als alleiniges Futtermittel. Sie werden zudem von Ratten meistens verschmäht. Eine Insektenzucht in Terrarien mit UV B-Bestrahlung kommt wohl für die wenigsten Rattenhalter infrage.
Gänzlich abzuraten ist von der regelmäßigen Gabe handelsüblicher Multivitamin-Präparate. Diese enthalten oftmals extrem hohe Gehalte an Vitamin D. Da das Vitamin nicht bedarfsorientiert, sondern ggf. im Überschuss resorbiert wird, besteht schnell die Gefahr der Entstehung einer Hypervitaminose D. Zudem enthalten solche Präparate auch hohe Dosen an anderen fettlöslichen Vitaminen, deren Zufuhr bei guter Fütterung überhaupt nicht erforderlich ist. Auch hier kann es zu Hypervitaminosen kommen.

Vitamin D-Aktivierung durch UV-Licht
Die Produktion des Prä-Vitamin D in der Haut erfolgt ausschließlich durch UV B-Strahlung, die durch Fensterglas nicht hindurchdringen kann. Es besteht aber prinzipiell die Möglichkeit, den Tieren künstliche UV B-Quellen zur Verfügung zu stellen. Der Vorteil einer Bestrahlung mit UV B-Licht ist, dass nicht davon ausgegangen werden muss, eine Hypervitaminose D zu erzeugen. Es wurde nachgewiesen, dass es für die Entstehung von Prävitamin D in der Haut eine Art „Abschaltmechanismus“ gibt, wenn der Bedarf gedeckt ist 37). Von einer langen und intensiven Bestrahlung nach dem Motto „viel hilft viel“ ist aber dennoch abzuraten, da bekannt ist, dass eine zu intensive Bestrahlung mit UV-Licht auch negative Effekte haben kann, wie z.B. Entzündungen der Haut (Sonnenbrand), Hautkrebs, Immunsuppression und Augenschädigungen (38-40).

Anhand dieser Erkenntnisse und Überlegungen erscheint es sinnvoller und bedarfsgerechter, den Tieren UV B-Licht zur Verfügung zu stellen, als Vitamin D mit dem Futter zu supplementieren.

Die Frage ist nur: Wie bestrahlt man richtig mit UV-Licht? Und genau das kann zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht fundiert beantwortet werden. Es können daher nur vage Empfehlungen zur Bestrahlung mit UV B-Licht gegeben werden. Ob diese sinnvoll und richtig sind, wird sich erst durch weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen müssen.

  • Wir raten zur Verwendung von Leuchtstoffbirnen mit Leistungen von etwa 25 Watt - Hierzu einige Erklärungen:

Es handelt sich dabei um Vollspektrum-Tageslichtlampen mit UV B-Anteil. Die Wattzahl gibt die Leistung an. Angaben von 10.0, 8.0 oder 5.0 beziehen sich auf den Anteil des UV B- Lichtes. Eine 10.0 Birne hat einen UV B-Anteil von 10 %. Diese Angaben sind allerdings nur von untergeordneter Bedeutung. Wichtig ist die Bestrahlungsstärke, die in µW/cm2 angegeben wird. Diese sollte auf der Verpackung verzeichnet sein und zudem, in welchem Abstand welche Bestrahlungsstärke erreicht wird, so dass die Leuchtstoffbirnen (sie passen in Standardfassungen E27) in entsprechender Entfernung angebracht werden können.
In Studien an Kaninchen, Meerschweinchen und Chinchillas wurden die Tiere mit Stärken zwischen etwa 10 und 150 µW/cm2 bestrahlt (41-46). Diese Werte wurden etwa auf Rückenhöhe der Tiere erreicht. Damit konnten deutliche Erhöhungen der Vitamin D-Spiegel im Blut erzielt werden. Abgeleitet von diesen Werten empfehlen wir, Bestrahlungsstärken von 150 µW/cm2 auf der höchsten Ebene des Käfigs nicht zu überschreiten. Wird der Käfig von der Seite angestrahlt, sollte dieser Wert auf Gitterhöhe nicht überschritten werden.

  • Die Bestrahlung sollte ausschließlich tagsüber erfolgen, um den Tag-Nacht-Rhythmus der Ratten nicht durcheinander zu bringen.
  • Die Birnen müssen so angebracht werden, dass sie von den Tieren nicht erreicht und Kabel nicht benagt werden können.
  • Die Bestrahlung kann einige Stunden (3-4) am Tag erfolgen, wenn die Ratten die Möglichkeit haben, sich der Bestrahlung vollständig zu entziehen. Werden kleinere Käfige bestrahlt, in denen die Tiere nicht gut ausweichen können, sollte eine Bestrahlungsdauer von 1 Stunde am Tag nicht überschritten werden.
  • Da UV-Lampen mit der Zeit an Leistung verlieren, müssen die Leuchtstoffbirnen alle 6 Monate erneuert werden.

Diagnose einer Hypovitaminose D
Da für Ratten weder Normwerte für Vitamin D existieren, noch ein für diese Tierart geeigneter Bluttest verfügbar ist, besteht derzeit keine Möglichkeit, eine Hypovitaminose D zu diagnostizieren.

Fazit
Heimtierratten haben in der Regel keinen Zugang zu natürlichem Sonnenlicht und ihre Nahrung ist arm an Vitamin D. Es ist daher durchaus möglich, dass viele Tiere unter einem Vitamin D-Mangel leiden. Um eine ausreichende Versorgung sicherzustellen, erscheint eine kontrollierte Bestrahlung mit UV B-Licht sinnvoller als eine Substitution mit dem Futter.




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