Praxis für kleine Heimtiere
Dr. Anja Ewringmann

Ratte


Anatomische und physiologische Besonderheiten


Verdauungsphysiologie

Zähne

Ratten besitzen im Ober- und Unterkiefer je 2 Schneidezähne, die kräftig gelb-orange gefärbt sind. Das Längenverhältnis der sichtbaren Zahnanteile von Oberkiefer : Unterkiefer beträgt etwa 1 :2,5-3. Die Schneidezähne besitzen offene Wurzelkanäle und wachsen lebenslang. Ihre Abnutzung erfolgt durch Nageaktivität.



 

In jedem Kieferviertel der Ratte befinden sich 3 Backenzähne. Diese besitzen Wurzeln und wachsen nicht nach.
Futter wird von den Tieren zunächst mit Hilfe der Schneidezähne abgebissen oder entspelzt. Die weitere Zerkleinerung erfolgt indem das Futter zwischen den Backenzähnen zerquetscht wird (3).

 


Magen

Ratten können nicht erbrechen. Der Magen der Tiere ist einhöhlig, durch eine Falte aber in zwei Teile gegliedert, so dass ein Vormagenanteil und ein Drüsenanteil unterschieden werden können (4-5).


Dünndarm

Der Dünndarm ist der Darmabschnitt, in dem die meisten Nährstoffe aufgespalten und resorbiert werden.


Blinddarm

Der Blinddarm fungiert als Gärkammer. Hier werden durch Bakterien komplexe Kohlenhydrate und an Pflanzenzellen gebundene Eiweiße aufgespalten. Dabei entstehen flüchtige Fettsäuren, die zum größten Teil direkt resorbiert werden. Zudem entstehen aber auch Aminosäuren und Vitamine (Vitamine der B-Gruppe und Vitamin K) (6-7).


Dickdarm

Im Dickdarm wird dem Nahrungsbrei Wasser entzogen und die Knödel werden geformt.


Koprophagie

Ratten fressen bis zu 40 % ihrer Kotballen (= Koprophagie) 8). Sie versorgen sich dadurch mit Eiweißen, Fettsäuren und Vitaminen (Vitamin der B-Gruppe, Vitamin K), die im Blinddarm hergestellt werden. Durch die Koprophagie werden zudem im Kot befindliche Blinddarmbakterien wieder dem Verdauungskanal zugeleitet (6-7) (9-12).


Hardersche Drüsen

Die Harderschen Drüsen sind Tränendrüsen. Sie produzieren ein durch Farbstoffe (Porphyrine) rötlich gefärbtes Sekret, das in großen Mengen Fettsäuren enthält. Zudem sind in ihm Pheromone enthalten. Dies sind Botenstoffe, die zur Übermittlung von Informationen innerhalb einer Art dienen.
Die genauen Funktionen des Sekretes der Harderschen Drüsen sind bisher noch nicht alle bekannt. Es dient zur Befeuchtung des Auges, hat aber wahrscheinlich auch thermoregulatorische Aufgaben und dient zur Informationsübermittlung zwischen Artgenossen (13-14).



Die Tränenflüssigkeit wird beim Putzen im Fell verteilt. Wird das Sekret vermehrt produziert (z.B. bei Entzündungen im Augenbereich) oder lässt aufgrund einer Erkrankung das Putzverhalten nach, so entstehen rötliche Krusten um die Augen (= Brillenbildung) oder rötlicher Nasenausfluss. Diese Ausscheidungen dürfen nicht mit Blut verwechselt werden.


Milchdrüse

Das Drüsengewebe des Gesäuges bei der Ratte verläuft nicht gleichmäßig linear am Unterbauch. 

Ausgedehnte Drüsenanteile befinden sich im Leistenbereich und ziehen bis in den Bereich der Kniefalten sowie die Anogenitalregion. 

In der vorderen Körperhälfte ist das Gewebe besonders im Achselbereich sehr prominent und erstreckt hinter dem Ellenbogen entlang an der Brustwand hoch. Nach vorne erstreckt es sich weit bis in den Bereich der Vorderbrust und kann vor dem Vorderbein hoch bis in die Nackenregion ziehen.

Ratten neigen zur tumorösen Entartung des Milchdrüsengewebes. Die Tumore sind dann an - im Vergleich zu anderen Tierarten - ungewöhnlichen Stellen lokalisiert.

Verteilung des Milchdrüsengewebes bei der Ratte


Mammatumore

Tumore am Gesäuge der Ratte sind in der überwiegenden Anzahl der Fälle gutartig. Sie wachsen jedoch oft sehr schnell und schränken die Tiere in der Bewegung ein. Eine chirurgische Entfernung ist dann die einzige Therapieoption.

Aufgrund der ausgedehnten Verteilung des Drüsengewebes ist bei solchen Operationen allerdings keine vollständige Entfernung der Milchleiste möglich, sondern es wird nur der Tumor entfernt. Daher können ggf. in anderen Bereichen erneut Tumore entstehen.




Fortpflanzungsphysiologie

Fortpflanzungsdaten

Geschlechtsreife

männlich

weiblich

Dauer Sexualzyklus

Trächtigkeitsdauer

Wurfgröße

Säugezeit


4 - 6 Wochen

4 - 6 Wochen

4 - 5 Tage

21 - 24 Tage

6 - 12, Nesthocker

ca. 3 Wochen



Ratten kommen nach der Geburt ihrer Jungtiere innerhalb weniger Stunden in die nächste Brunst und können dann sofort wieder gedeckt werden!


Geschlechtsbestimmung

Bei männlichen Tieren besteht ein größerer Abstand zwischen Geschlechtsöffnung und After. Weibliche Ratten besitzen eine ausgestülpte Harnröhrenöffnung, die leicht mit der Vorhaut (Präputium) des männlichen Tieres zu verwechseln ist. An die Harnröhrenöffnung schließt sich unmittelbar die Scheidenöffnung an, die außerhalb der Brunst verschlossen ist. Dahinter liegt, mit geringem Abstand der Anus.

Anogenitalregion einer männlichen Ratte

 Präputialöffnung

2   After

Anogenitalregion einer weiblichen Ratte

 Harnröhrenöffnung

2   Scheidenöffnung (nur in der Brunst geöffnet)

 After


Erkrankungen der Geschlechtsorgane

Ratten neigen im Alter zur Entstehung von Gebärmuttervereiterungen (Pyometra). Diese gehen mit eitrigem Scheidenausfluss einher und werden oft zunächst nicht bemerkt, da die Tiere den Eiter wegputzen. Bei Ausdehnung der Infektion fallen Störungen des Allgemeinbefindens mit verminderter Futteraufnahme auf.  Die Tiere trocknen aus und ihre Bewegungen sind oft deutlich verlangsamt.


Da die Gebärmutter ein Hohlorgan ist, in dem keine ausreichend hohen Antibiotikaspiegel erzielt werden können, ist eine medikamentelle Ausheilung der Infektion in der Regel nicht möglich. Sollten chronische Krankheitsverläufe vermieden werden, ist eine Kastration des Tieres unumgänglich.

WEITERE INFORMATIONEN
finden sie hier:

Kastrationen





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