Praxis für kleine Heimtiere
Dr. Anja Ewringmann

Frettchen


Anatomische und physiologische Besonderheiten


Verdauung

Zähne

Frettchen besitzen ein typisches Fleischfressergebiss.

Die ersten Milchzähne erscheinen ab der 2. bis 3. Lebenswoche Powers). Die Formel für das Milchgebiss lautet (4).

Oberkiefer        I4 C1 P3 M0
Unterkiefer       I3 C1 P3 M0

Die bleibenden Zähne brechen etwa zwischen dem 50. und 72. Lebenstag durch (5).
Die Zahnformel für das Dauergebiss lautet (4):

Oberkiefer        I3 C1 P3 M1
Unterkiefer       I3 C1 P3 M2



Magen-Darm-Trakt

Frettchen besitzen einen einfachen, einhöhligen Magen, der sehr dehnungsfähig ist (6-7). Der gesamte Magen-Darm-Kanal ist sehr kurz (nur etwa halb so lang wie bei der Katze), so dass die Passagezeit der Nahrung nur etwa 4 Stunden beträgt (6).

Frettchen müssen vor Narkosen nüchtern sein, da sie erbrechen können. Aufgrund der Darmpasagezeit ist eine Nüchternphase von 4 Stunden, jedoch nicht länger als 6 Stunden sinnvoll.

 

Im Dickdarm der Frettchen sind keine Mikrovilli vorhanden (7). Bei diesen handelt es sich um Ausstülpungen der Darmschleimhaut, die der Oberflächenvergrößerung dienen und damit einer Vergrößerung der Resorptionsfläche. Das Fehlen dieser Mikrovilli führt dazu, dass die Resorption von Wasser und Elektrolyten eingeschränkt ist (7). Dadurch kommt es bei Flüssigkeitsmangel und starken Flüssigkeitsverlusten (z.B. bei Durchfall und Erbrechen) besonders schnell zur Dehydrierung (= Austrocknung).


 

Fell, Haut und Hautanhangsdrüsen

Das Frettchenfell besteht aus feinem Unterhaar und längeren, gröberen Deckhaaren. Eine Ausnahme bilden Langhaarfrettchen, denen das Unterhaar fehlt.

In der gesamten Haut sind Talgdrüsen verteil, deren Sekret dem Frettchen seinen typischen Geruch verleiht. Die Drüsenaktivität ist bei intakten Tieren intensiver als bei kastrierten und insbesondere in der Ranzzeit stark ausgeprägt. Es entstehen dann gelbliche Verfärbungen der Haut und des Unterfells, so das das Haarkleid fettig erschein (3).

Schweißdrüsen fehlen, so dass die Tiere recht hitzeempfindlich sind.

Beidseits des Anus finden sich die Analdrüsen, die ein gelbliches und sehr intensiv riechendes Sekret produzieren (3). Die chirurgische Entfernung der Drüsen ist in Deutschland aus Tierschutzgründen verboten.


Fortpflanzung

Im Jahresverlauf finden bei Frettchen Veränderungen im Hormonhaushalt statt, die eng mit der Tageslichtlänge assoziiert sind. Im Frühjahr kommt es zu einem Anstieg der Sexualhormone und damit zum Beginn der Fortpflanzungsperiode. Im Herbst sinkt der Hormonspiegel wieder ab und es tritt eine Phase der sexuellen Ruhe ein (3,8,9).

Die Fortpflanzungszeit des Frettchens wird als Ranzzeit bezeichnet. Sie erstreckt sich etwa von März bis September. In dieser Zeit werden meist eine verstärkte Aktivität, eine erhöhte Aggressivität und eine verminderte Futteraufnahme beobachtet. Das Körpergewicht sinkt zumeist deutlich unter das "Wintergewicht" ab (8,9).

Während der Ranz (Brunst) steigt die Produktion des Talgdrüsensekretes, so dass der Geruch der Fähe intensiver wird. Die Scheidenöffnung (Vulva) schwillt bis auf Kirschgröße an, ist feucht und deutlich gerötet.

Wird die Fähe in dieser Zeit nicht gedeckt, so bleibt der Eisprung aus und es besteht die Gefahr der Entstehung einer Dauerranz.

Dauerranz (persistierende Ranz, Hyperöstrogenismus)

Bei einer Ranzdauer ab 4 Wochen wird von einer Dauerranz gesprochen. Durch die anhaltend hohen Östrogenspiegel kommt es zu Knochenmarkdepressionen, so dass sämtliche Blutzellen vermindert nachgebildet werden. Dies hat verschiedene Folgen:

  • Durch die reduzierte Anzahl an weißen Blutzellen (Leukozyten) besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit.
  • Die verminderte Bildung roter Blutzellen (Erythrozyten) mündet in eine „Blutarmut“ (Anämie). Diese macht sich durch blasse Schleimhaute (v.a. gut erkennbar an der Schleimhaut der geschwollenen Vulva) und zunehmende Schwäche bemerkbar.
  • Die geringe Produktion von Blutplättchen (Thrombozyten) führt zu Gerinnungsstörungen mit Blutungsneigung.

Es entstehen dann schnell lebensbedrohliche Zustände. Eine Dauerranz muss daher so zügig wie möglich beendet werden!



Vulva außerhalb der Ranz


Vulva in der Ranz: die Schleimhaut ist geschwollen und gerötet


Vulva bei Dauerranz: die Schleimhaut ist geschwollen und sehr blass


Fortpflanzungsdaten

Geschlechtsreife

Sexualzyklus


Ranzzeit

Trächtigkeitsdauer

Wurfgröße

Säugezeit

im auf das Geburtsjahr folgenden Frühjahr

unvollständig, 

Eisprung wird durch Deckakt ausgelöst

ca. März bis September

29 - 42 Tage

6 - 18, Nesthocker

6 - 8 Wochen



Kastration

Zur Vermeidung der Fortpflanzung und einer Dauerranz sollten Frettchen kastriert werden. Hierfür stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung:

 

  • Zur chemischen Kastration stehen Hormonchips zur Verfügung, die unter die Haut implantiert werden und über längere Zeit Wirkstoff abgeben. Die Wirkungsdauer ist allerdings von Tier zu Tier sehr unterschiedlich (10, 11). Es mehren sich zudem Berichte aus der Tierärzteschaft, dass der wiederholte Einsatz der Chips bei Fähen die Entstehung von Gebärmuttervereiterungen begünstigt.
  • Die chirurgische Kastration führt zu endgültiger Unfruchtbarkeit und ist letztlich kostengünstiger als die wiederholte Implantation von Hormonchips. Allerdings kommt es im Durchschnitt 3,5 Jahre nach Kastration bei einem Teil der Frettchen zu Erkrankungen der Nebennierenrinde, in der dann Geschlechtshormone produziert werden, so dass das Bild des Hyperadrenokortizismus entsteht.


Hyperadrenokortizismus


Beim unkastrierten Frettchen wird die Produktion von Geschlechtshormonen in den Geschlechtsorganen durch Hormone gefördert, die in unterschiedlichen Gehirnregionen gebildet werden. Die Geschlechtshormone ihrerseits führen dann zu einem negativen Feed-Back-Mechanismus: sind ausreichend Geschlechtshormone vorhanden, so hemmen sie die Bildung und Ausschüttung der sie stimulierenden Hormone im Gehirn.

Bei kastrierten Frettchen fällt der o.g. Feed-Back-Mechanismus aus, da keine Geschlechtshormone mehr produziert werden. Dies hat zu Folge, dass die stimulierenden Hormone im Gehirn ungebremst gebildet und ausgeschüttet werden. Da auch in der Nebennierenrinde Rezeptoren für diese Hormone vorhanden sind, reagiert die Nebenniere mit Größenzunahmen und der Produktion von Geschlechtshormonen. Bei Fähen hat dies zur Folge, dass Ranzsymptome auftreten. Bei Rüden kommt es häufig zu einer Vergrößerung der Prostata mit der Folge von Harnabsatzstörungen. Weitere geschlechtsübergreifende Symptome sind Fellverluste, Juckreiz, Lethargie und Gewichtsverluste (11-13).

Der Hyperadrenokortizismus kann mit Hormonchips behandelt werden, die auch zur chemischen Kastration dienen. Durch sie wird letztlich die Produktion von Geschlechtshormonen in der Nebenniere gehemmt. Allerdings haben die Chips keinen Effekt auf bereits bestehende Veränderungen der Nebennieren.



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