Kaninchen
Fütterung
Kleine Nährstoffkunde
Kohlenhydrate (Saccharide)
Einfachzucker (Monosaccharide)
- z.B. Fruchtzucker (Fructose) enthalten z.B. in Obst, Knollen- u. Wurzelgemüse
Zweifachzucker (Disaccharide)
- z.B. Rübenzucker (Saccharose) enthalten z.B. in Knollen- u. Wurzelgemüse
Mehrfachzucker (Oligosaccharide)
- z.B. Stachyose, Raffinose enthalten z.B. in Hülsenfrüchten
Vielfachzucker (Polysaccharide)
- Stärke: enthalten z.B. in Getreide, Getreideprodukten, Knollen- u. Wurzelgemüse
- Zellulose: Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände
- Pektine: enthalten in Stängeln, Blättern, Blüten, Obst, Gemüse
- Inulin: enthalten in Grünpflanzen, Chicorée, Topinambur
Eine weitere Einteilung der Kohlenhydrate erfolgt nach der Art ihrer Verdauung:
- Schnell verdauliche Kohlenhydrate werden im Dünndarm verdaut. Sie werden dort entweder direkt resorbiert (Einfachzucker) oder aber durch Verdauungsenzyme zunächst in Einfachzucker aufgespalten und dann resorbiert (Zweifachzucker, Stärke).
- Langsam verdauliche Kohlenhydrate werden durch den Dünndarm hindurchgeschleust, gelangen in den Blinddarm und werden dort von Bakterien aufgespalten (Mehrfachzucker, Zellulose, Pektine, Inulin).
- Verdauliche Rohfaser besteht vorwiegend aus Zellulose, also aus einem langsam verdaulichen Kohlenhydrat. Dieses Kohlenhydratmolekül besteht aus bis zu 10.000 Einfachzuckern, die sich zu festen Strukturen zusammenlagern und reißfeste Fasern in Pflanzenteilen bilden. Diese verdauliche Rohfaser dient als Nährsubstrat für die Blinddarmbakterien.
- Unverdauliche Rohfaser ist das Lignin, eine Substanz, die sich in pflanzliche Zellwände einlagert und zu deren Verholzung führt. Auch wenn Lignin weder im Dünn- noch im Blinddarm verdaut werden kann, so ist es doch ein wichtiger Nahrungsbestandteil, um eine gute Darmmotorik zu gewährleisten.
Ein Rohfasermangel hat Konsequenzen für den gesamten Verdauungstrakt:
- Die lebenslang nachwachsenden Zähne werden nicht ausreichend abgenutzt
- Der Mageninhalt verklumpt, kann nicht hinreichend von Magensäure durchdrungen werden und mit dem Futter aufgenommene Bakterien werden nicht hinreichend abgetötet
- Die Darmmotorik sinkt. Dadurch wird die Verweildauer des Nahrungsbreis im Verdauungstrakt verlängert und die Gefahr von Fehlgärungsprozessen mit Aufgasung steigt.
- Die Blinddarmbakterien erhalten nicht ausreichend Nährsubstrat und sterben ab.
- Eine ausreichende Rohfaserzufuhr ist daher extrem wichtig. Der Rohfasergehalt der Ration sollte etwa 20 % betragen.
Kaninchen sind dagegen nicht in der Lage größere Mengen an leicht verdaulichen Kohlenhydraten (Stärke, Ein- und Zweifachzucker) zu verwerten, da diese in der natürlichen Nahrung nur in sehr geringen Mengen vorhanden sind. Diese Kohlenhydrate werden eigentlich im Dünndarm verdaut. Wird die Verdauungskapazität überschritten, werden sie jedoch in den Blinddarm weitergeschleust und dort zu Milchsäure verstoffwechselt, die das Blinddarmmilieu verändert. Es kommt dann schnell zu Instabilitäten der Darmflora und zu einer Vermehrung von Hefepilzen, mit dem Resultat von Verdauungsstörungen. Auch fressen die Kaninchen ihren Blinddarmkot nicht mehr, da er unangenehm riecht und schmeckt (7). Zudem führt ein Überschuss an leicht verdaulichen Kohlenhydraten zu einer Hemmung der Darmmotorik. Dadurch verlängert sich die Verweildauer des Nahrungsbreis im Blinddarm, und Fehlgärungsprozesse mit Aufgasung werden begünstigt.
Eiweiße (Proteine)
Die Bausteine der Proteine sind Aminosäuren. In der Kaninchenernährung sind nur die pflanzlichen Eiweiße von Bedeutung. Diese können, ähnlich wie die Kohlenhydrate, nach der Art ihrer Verdauung eingeteilt werden:
- schnell verdauliche Eiweiße sind „Samenproteine“. Diese finden sich in Pflanzensamen, Getreidekörnern, Hülsenfrüchten und Nüssen. Sie werden im Dünndarm durch Verdauungsenzyme gespalten und die Spaltprodukte (Aminosäuren) dann aus dem Darm resorbiert. Zu den schnell verdaulichen Proteinen gehören aber auch die Eiweiße, die im Blinddarm des Kaninchens gebildet und dann durch Fressen des Blinddarmkotes (Zäkotrophie) aufgenommen werden.
- langsam verdauliche Eiweiße sind „Blattproteine“. Diese sind in allen Grünpflanzen (in unterschiedlicher Menge) enthalten und fest an die Zellwände der Pflanze gebunden. Eine Zerlegung/Verdauung kann nur durch Blinddarmbakterien erfolgen.
Auch für Eiweiße gilt, dass bei einem Überschuss an leicht verdaulichen Proteinen in der Nahrung ein Teil in den Blinddarm gelangt. Hier entsteht bei der Zerlegung durch die Blinddarmbakterien dann in größeren Mengen Ammoniak, der wiederum zu ungewünschten Veränderungen des Darmmilieus führt (10).
Fette (Lipide)
Fette werden im Dünndarm verdaut. Die Verdauungskapazität ist allerdings begrenzt, da die natürliche Nahrung des Kaninchens fettarm ist. Hohe Fettgehalte finden sich z.B. in ölhaltigen Saaten (z.B. Lein-, Anis-, Fenchelsamen), Nüssen, Kürbis- und Sonnenblumenkernen. Ein Überschuss hat keine Konsequenzen für die Blinddarmflora, führt aber zu einer Erhöhung der Darmmotorik, woraus Durchfälle resultieren können.
Vitamine
Wasserlösliche Vitamine
Zu den wasserlöslichen Vitaminen gehören Vitamin C sowie die Vitamine der B-Gruppe. Vitamin C können Kaninchen selber herstellen. Bei Infektionskrankheiten kann es dennoch sinnvoll sein, kurzfristig zusätzliches Vitamin C zuzuführen. Einige B-Vitamine (B2, B3, B5, B12) werden im Blinddarm durch die dortigen Bakterien hergestellt und stehen dem Kaninchen durch Zäkotrophie zur Verfügung. Vitamin B4 wird in der Leber synthetisiert (8). Die übrigen B-Vitamine werden bei artgerechter Fütterung in ausreichender Menge zugeführt.
Fettlösliche Vitamine
Mineralstoffe
Spurenelemente
Kleine Futtermittelkunde
Aus den ernährungsphysiologischen Besonderheiten des Kaninchens lässt sich zusammenfassend ableiten, dass die Nahrung v.a. reich an langsam verdaulichen Kohlenhydraten sein muss, was durch die Gabe von strukturiertem Grünfutter und Heu gewährleistet wird. Durch diese Futtermittel wird den Tieren zudem ein ausreichendes Angebot an langsam verdaulichen Eiweißen zur Verfügung gestellt. Futtermittel mit hohen Gehalten an leicht verdaulichen Kohlenhydraten und leicht verdaulichen Eiweißen tragen dagegen eher zu einer Destabilisierung der Darmfunktionen bei und sollten daher allenfalls restriktiv angeboten werden.
Heu eignet sich aber nicht als Alleinfuttermittel für Kaninchen! Bei ausschließlicher Heufütterung käme es zu einem Energiedefizit und es entstünde ein Mangel an bestimmten Mineralstoffen und Spurenelementen (10). |
Frischfutter stellt die Grundnahrung des Kaninchens dar, wobei Futter, das das Kaninchen nicht kennt, zunächst in kleinen Mengen angeboten werden sollte, damit der Verdauungstrakt die Möglichkeit hat, sich daran zu gewöhnen. Die Gesamtmenge an Frischfutter sollte mindestens 250 g/kg Körpergewicht betragen – ein Kaninchen mit einem Gewicht von 2 kg erhält somit 500 g Frischfutter am Tag. Die Menge sollte auf mind. 2 Portionen aufgeteilt werden.
Wieviel Wasser ein Kaninchen am Tag aufnimmt, hängt von vielen Faktoren ab, wie z.B. dem Alter, der Umgebungstemperatur, der Luftfeuchtigkeit und der Rasse 18). Einen entscheidenden Einfluss hat aber auch die Fütterung. Kaninchen, die ausschließlich Trockenmischfutter oder Pellets erhalten trinken viel (ca. 65 ml/kg/Tag (19)), setzen aber nur wenig stark konzentrierten Urin ab 18) 19). Bei Fütterung mit Pellets und Heu wird noch mehr Wasser aufgenommen (ca. 100 ml/kg/Tag) und es wird mehr und geringer konzentrierter Urin ausgeschieden. Bei Kaninchen, die zusätzlich zu trockenem Futter Saftfutter erhalten, sinkt die Trinkmenge deutlich ab. Dennoch steigt die Gesamtwasseraufnahme erheblich (18-19), da Frischfutter zu einem hohen Anteil aus Flüssigkeit besteht. Entsprechend ist die produzierte Urinmenge deutlich größer und der Harn ist weniger konzentriert.
Um eine ausreichende Urinverdünnung zu erreichen, wird eine tägliche Wasseraufnahme von 200 ml/kg Körpergewicht angestrebt 7). Da ein Kaninchen jedoch nicht freiwillig mehr trinken wird, nur weil der Besitzer es wünscht, muss eine Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr über die Fütterung von wasserhaltigem Frischfutter erfolgen.
Eine ausgewogene Frischfutterration setzt sich folgendermaßen zusammen:
- Wiesenfutter (Wildgräser, -kräuter, -blätter und -blüten)
- Kulturlöwenzahn, Küchenkräuter (z.B. Petersilie, Dill, Basilikum, Kerbel, Minze, Melisse, Salbei, Thymian, Koriander, Oregano)
- Gemüsegrün (z.B. Möhrengrün, Blätter von Kohlrabi, Brokkoli, Blumenkohl, Sellerie, Radieschen)
- Blätter von Bäumen und Sträuchern (z.B. Obstbaum, Weide, Haselnuss, Himbeere)
- Knollen- und Wurzelgemüse (z.B. Knollensellerie, Pastinake, Möhre, Petersilienwurzel, Rote Beete, Rüben) haben hohe Gehalte an leicht verdaulichen Kohlenhydraten (Ein- und Zweifachzucker, Stärke). Sie gelten zudem als „harte Futtermittel“, die die Zähne beim Kauen einen erhöhten Druck aussetzen. Solche Gemüsearten sollten daher (wenn überhaupt) nur in sehr geringen Mengen angeboten werden.
- Blattgemüse (z.B. Chicorée, Spinat, Salate, Mangold) besitzen ähnlich geringe Gehalte an leicht verdaulichen Kohlenhydraten wie strukturiertes Grünfutter und können daher problemlos in größeren Mengen angeboten werden.
- Kohl u. Kohlgemüse (z.B. Grünkohl, Spitzkohl, Wirsing, Weißkohl, Chinakohl, Brokkoli, Blumenkohl, Kohlrabi) weisen moderate Gehalte an verdaulichen Kohlenhydraten auf, wobei es sich v.a. um Frucht- und Rübenzucker handelt. Kohl darf daher in gewissen Mengen verfüttert werden, der Gesamtanteil an der Ration sollte aber nicht zu hoch sein. Blättriger Kohl sollte Kohlgemüse (Kohlrabi, Blumenkohl, Brokkoli) vorgezogen werden.
- Fruchtgemüse (z.B. Zucchini, Paprika, Gurke, Tomate) weist rel. hohe Gehalte an Frucht- und Rübenzucker auf.
- Stielgemüse (Staudensellerie, Fenchel) sind arm an leicht verdaulichen Kohlenhydraten und können daher problemlos verfüttert werden. Fenchel besitzt zudem ätherische Öle, die beruhigend auf den Magen-Darm-Trakt wirken. Allerdings sind Fenchelknollen wiederum sehr hart, wodurch beim Kauen erhöhter Druck auf die Zähne entsteht. Die Verfütterung von Fenchelgrün ist daher vorzuziehen.
Ergänzungen
Als Nagematerial können z.B. Äste von ungespritzten Obstbäumen, Weide, Haselnuss und Birke angeboten werden.
Als Nagematerial ungeeignet sind dagegen hartes Brot und die im Zoofachhandel erhältlichen „Nagersteine“. Diese „Futtermittel“ sind nicht annähernd hart genug, um Kaninchenzähne abzunutzen. Brot schadet aufgrund seines Stärkegehaltes der Verdauung, Nagersteine sind nichts anders als gepresster Kalk und begünstigen die Harnsteinentstehung. |
Getrocknete Kräuter, Blätter und Blüten dürfen gelegentlich in kleinen Mengen angeboten werden, der Anteil in der Ration sollte aber nicht zu hoch sein. Diese Futtermittel sind bei den meisten Kaninchen sehr beliebt und werden dem Heu vorgezogen. Für die Zerkleinerung ist allerdings deutlich weniger Kauaktivität erforderlich als für Heu, so dass kein ausreichender Zahnabrieb stattfindet. Zudem haben Trockenkräuter extrem hohe Kalziumgehalte und begünstigen die Entstehung von Harnsteinen. Im Vergleich zu frischen Kräutern, die zu einem hohen Prozentsatz aus Wasser bestehen, weisen getrocknete Kräuter eine deutlich höhere Kaloriendichte auf. Wenn sie in großen Mengen gefüttert werden, können sie daher auch zu ungewünschten Gewichtszunahmen führen.
Für Kaninchen mit Zahnproblemen, die nicht mehr in der Lage sind Heu zu zerkleinern sind getrocknete Kräuter dagegen gut geeignet, um den Tieren ausreichend Rohfaser zuzuführen. Auf eine begleitend ausreichende Flüssigkeitszufuhr muss allerdings geachtet werden.
Saaten/Saatenmischungen
Zu den Mehlsaaten gehören z.B. Hafer, Gerste, Weizen, Mais, Dinkel, Amaranth, Hirse und Grünkern. Sie enthalten hohe Stärkegehalte, also leicht verdauliche Kohlenhydrate, und sollten daher möglichst nicht an Kaninchen verfüttert werden. |
„Buntfuttermittel“ bestehen zu einem hohen Anteil aus Getreide und Getreideprodukten und sollten gar nicht verfüttert werden. |
Leckerbissen
Leckerli sollten nur in sehr geringen Mengen – möglichst als Belohnung aus der Hand – gefüttert werden. Als Leckerbissen können z.B. kleine Stückchen Frisch- oder Trockenobst, Sonnenblumen- oder Kürbiskerne sowie Erbsenflocken dienen.
Völlig ungeeignet sind dagegen die meisten der im Zoofachhandel angebotenen Leckerbissen, wie z.B. Joghurt- und Milchdrops, Nagerwaffeln, Haferkissen oder Knabberstangen. Diese enthalten in großen Mengen Stärke und Zucker. |
Artgerechte Rationsgestaltung
Eine artgerechte Ration für Kaninchen beinhaltet:
Fütterungstechnik
Ad libitum-Fütterung
Futterselektion ermöglichen
In freier Wildbahn stehen Kaninchen unzählige verschiedene Futterpflanzen zur Verfügung, aus denen sich die Tiere bedarfsabhängig bedienen können. Auch in der Heimtierhaltung sollte also ein möglichst breites Futterspektrum angeboten werden. Neben Heu mit Blüten-, Blatt- und Kräuteranteil ist auch ein breites Angebot an Frischfutter erforderlich.
Keine plötzlichen Futterwechsel vornehmen
Es dürfen keine plötzlichen Futterwechsel vorgenommen werden, da diese zu Störungen der empfindlichen Bakterienflora des Blinddarmes und in Folge zu schweren Verdauungsstörungen (Aufgasung, Durchfall) führen können. Futtermittel, die ein Kaninchen nicht gewöhnt ist, müssen zunächst in geringen Mengen zu der gewohnten Ration ergänzt werden. Kaninchen aus Innenhaltung, die bisher mit „Supermarktfutter“ gefüttert wurden, dürfen also nicht einfach in ein Außengehege auf der Wiese gesetzt werden, da die Zusammensetzung des Wiesenfutters völlig anders ist als die des bekannten Futters. Vielmehr müssen zunächst Wiesenpflanzen in kleinen Mengen angefüttert werden, damit der Verdauungstrakt der Tiere sich daran gewöhnen kann.
Auf hygienische Qualität des Futters achten
Wasserversorgung
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