Praxis für kleine Heimtiere
Dr. Anja Ewringmann

Meerschweinchen


Haltung

Meerscheinchen sind sehr gesellige Tiere, die in freier Wildbahn stets in Gruppen zusammenleben. Dabei handelt es sich in der Regel um einen „Haremsverband“, bestehend aus einem Bock und mehreren Weibchen mit ihren Jungtieren.
Daher müssen auch als Heimtiere gehaltene Meerschweinchen zumindest paarweise gehalten werden.
Optimal ist die Haltung von 1-3 Weibchen mit einem kastrierten Bock, aber auch andere Konstellationen, wie z.B. die Haltung reiner Bock- oder Weibchengruppen, sind möglich.


 

Ein Artgenosse kann niemals durch den Menschen oder eine andere Tierart ersetzt werden. Leider ist es vielfach immer noch üblich ein Meerschweinchen mit einem Kaninchen zusammen zu halten. Beide Tierarten haben jedoch völlig verschiedene Arten der Kommunikation (Meerschweinchen verständigen sich v.a. durch Lautäußerungen, Kaninchen durch Körpersprache), so dass es häufig zu Missverständnissen bis hin zu Beißereien kommt. Selbst wenn die Tiere friedlich nebeneinander leben, so fehlt doch der geeignete „Ansprechpartner“.

Eine Einzelhaltung von Meerschweinchen oder die Haltung eines Meerschweinchens mit einem Kaninchen ist nicht artgerecht!


Das Meerschweinchenheim

Für die Meerschweinchenhaltung wird eine Grundfläche von 1 m2 pro Tier gefordert, um den Bedürfnissen der Tiere gerecht zu werden (22).

Dabei handelt es sich aber nur um absolute Mindestmaße; ein größeres Platzangebot ist wünschenswert. Bei der Haltung reiner Böckchengruppen muss in jedem Fall deutlich mehr Platz zur Verfügung stehen, damit die Tiere sich aus dem Weg gehen können und es nicht zu Rangordnungsstreitigkeiten kommt. Handelsübliche Käfige sind demnach nicht geeignet, um Meerschweinchen artgerecht zu halten

Handelsübliche Käfige sind demnach nicht geeignet, um Meerschweinchen artgerecht zu halten. Vielmehr benötigen die Tiere ausreichend große Gehege, um sich ausreichend bewegen und ihr artspezifisches Verhalten ausleben zu können.


Standort und Umgebungsbedingungen

Da Meerschweinchen schreckhafte Fluchttiere sind, sollte das Gehege an einem ruhigen Ort aufgestellt werden – es gehört also beispielsweise weder in ein Kinderzimmer noch in die Nähe eines Fernsehers.  Es sollte zudem ein heller Standort gewählt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass niemals das gesamte Gehege der Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist.

Die Wohlfühltemperatur von Meerschweinchen beträgt etwa 15-20° C (22). Die Luftfeuchtigkeit sollte etwa zwischen 40 und 60 % liegen. Während der Heizperiode im Winter entsteht häufig eine sehr trockene Raumluft. Durch das Aufstellen von (für die Meerschweinchen unerreichbaren) Pflanzen oder von Luftbefeuchtern kann hier Abhilfe geschaffen werden.


Einrichtung

Als Einstreu eignen sich handelsübliche Kleintierspäne, feines Holzgranulat und Hanfstreu. Auch die Haltung auf Fleecedecken wird vielfach praktiziert.

Strohpresspellets dürfen als Untergrund nur verwendet werden, wenn sie mit Heu, Stroh oder Spänen überstreut werden. Andernfalls können die Meerschweinchen auf den groben Pellets nicht gut laufen und es kann zu Druckstellen an den Fußballen kommen.


Der Lebensraum der Tiere muss zudem artgerecht strukturiert werden: Es müssen Unterschlüpfe vorhanden sein, in die sich alle Gruppenmitglieder gleichzeitig zurückziehen können, es müssen aber auch ausreichend Versteckmöglichkeiten (z.B. Holzhäuschen, Röhren, Weidenbrücken) zur Verfügung stehen, damit sich jedes Tier einzeln verstecken kann. Auch erhöhte Aussichtspunkte, die über Rampen zu erreichen sind, werden gerne angenommen. Zudem sollte ausreichend Platz vorhanden sein, um mehrere Futterstellen einzurichten, damit ggf. Streitigkeiten bei der Futteraufnahme verhindert werden können.

Bei Fleece-Haltung ist das Aufstellen mehrerer Toilettenschalen sinnvoll.

Das Gehege muss über standfeste, nicht benagbare und gut zu reinigende Futter- und Trinkgefäße verfügen.



Außenhaltung

Eine Außenhaltung von Meerschweinchen ist prinzipiell möglich. Allerdings bilden die Tiere kein dichteres Winterfell aus, so dass gut isolierte und dick eingestreute Schutzhütten zur Verfügung stehen müssen. Im Sommer müssen ausreichend kühle Schattenplätze vorhanden sein. Das Gehege ist außerdem vor dem Eindringen von Raubtieren und Beutegreifern zu sichern.

Problematisch kann die Außenhaltung bei älteren Tieren mit degenerativen Gelenkerkrankungen (Arthrosen) werden. Die Tiere tolerieren kaltes und feuchtes Wetter oft nicht gut und sind dann besonders schmerzhaft. In solchen Fällen muss überlegt werden, ob eine weitere Haltung im Freien noch tierschutzgerecht ist.


Vitamin D in der Meerschweinchenhaltung

Meerschweinchen benötigen, ebenso wie andere Tiere, Vitamin D, dessen Hauptaufgabe die Regulierung des Kalzium- und Phosphorstoffwechsels im Körper ist. Verantwortlich für diese Vorgänge ist aktives Vitamin D3 (= D-Hormon).
In Studien wurde festgestellt, dass Meerschweinchen, die Zugang zu natürlichem oder künstlichem UV B-Licht haben, deutliche höhere Vitamin D-Werte im Blut aufweisen als Tiere, die in Innenhaltung leben (23-25).
Es ist also durchaus sinnvoll, darüber nachzudenken, ob Meerschweinchen in Heimtierhaltung ausreichend mit Vitamin D versorgt sind.

Wie hoch ist der Vitamin D-Bedarf eines Meerschweinchens?
Konkrete Bedarfsangaben sind in der Literatur nicht zu finden. In der Versuchstierkunde wird für wachsende Tiere ein Vitamin D-Gehalt von 1000 IU/kg pelletiertem Alleinfuttermittel angegeben 26). Der Bedarf ausgewachsener Meerschweinchen in Heimtierhaltung, die keiner besonderen Belastung unterliegen, dürfte der Bedarfswert allerdings geringer sein. In Anlehnung an die Bedarfsangaben des Kaninchens dürfte wahrscheinlich ein Gehalt an 800 IE/kg Futter ausreichen (27).
Solche Angaben sind für die Heimtierhaltung allerdings generell nur wenig hilfreich, wenn der Anspruch besteht, die Tiere artgerecht ernähren zu wollen. Pellets gehören eigentlich nicht auf den Speiseplan, schon gar nicht als alleiniges Futtermittel.

Was geschieht bei unausgeglichenem Vitamin D-Haushalt?
Es finden sich in der Literatur bisher keine Studien darüber, welche Auswirkungen ein chronischer Vitamin D-Mangel (= Hypovitaminose D) bei ansonsten artgerechter Fütterung hat. Es ist jedoch zu vermuten, dass, ähnlich wie bei Kaninchen, Störungen der Knochenmineralisierung resultieren, da Phosphor nicht mehr in ausreichender Menge aus dem Darm resorbiert werden kann (28).
Besteht neben einem Vitamin D-Mangel auch ein Defizit an Kalzium, so entstehen bei Kaninchen schwere Knochenstoffwechselstörungen, die von fortschreitenden Zahnerkrankungen begleitet sind (29). Aufgrund der Ähnlichkeiten im Kalziumstoffwechsel sind gleiche Effekte auch bei Meerschweinchen zu erwarten. Als weitere Folgen einer Hypovitaminose D wurden beim Menschen und bei Mäusen Anämien (Blutarmut) und Störungen der Immunabwehr mit erhöhter Infektanfälligkeit nachgewiesen (30). Gleiche Auswirkungen können für Meerschweinchen vermutet werden, wurden aber bisher nicht explizit nachgewiesen.
Ein Überschuss an Vitamin D (= Hypervitaminose D) hat gravierende Folgen. Es kommt bei Meerschweinchen dann schnell zu Gewebeverkalkungen, v.a. im Bereich der Gefäße und der Nieren (31-32).

Wie können Meerschweinchen ihren Vitamin D-Bedarf decken?
Dies ist theoretisch auf zwei Wegen möglich: entweder durch Sonnenlicht oder durch die Nahrung

  • Endogenes Vitamin D: im Körper wird eine Vorstufe des Vitamin D produziert. Diese wird in der Haut durch UV B-Licht in ein Prä-Vitamin D umgewandelt. In der Leber entsteht daraus Vitamin D3, das dann wiederum in der Niere durch ein Hormon (Parathormon) aktiviert wird. Es entsteht das für die Stoffwechselvorgänge wichtige D-Hormon.

Problem: bei Meerscheinchen in reiner Innenhaltung ist die Entstehung von Prä-Vitamin D in der Haut durch UV B-Licht nicht möglich.

  • Exogenes Vitamin D: in Grünpflanzen wird eine Vorstufe des Vitamin D gebildet und unter Einfluss von UV-Licht entsteht zunächst Vitamin D2. Dieses wird mit der Pflanze vom Kaninchen aufgenommen, gelangt in die Leber, wird dort in Vitamin D3 umgewandelt und wiederum in der Niere aktiviert.

Problem: die natürliche Nahrung des Meerschweinchens enthält kaum Vitamin D. Nennenswerte Vitamin D-Gehalte finden sich nur in Pflanzen, die üblicherweise nicht auf dem Speiseplan des Kaninchens zu finden sind (Artischocken, Pilze). Der Gehalt an Vitamin D in Grünpflanzen ist dagegen sehr gering. Er kann durch Trocknung in der Sonne zwar erhöht werden 29), Heu wird heutzutage allerdings nicht mehr vollständig in der Sonne getrocknet. Es wird lediglich angetrocknet; die restliche Trocknung erfolgt möglichst zügig mit technischen Verfahren. Dies hat verschiedene Gründe: bei langer Trocknung auf der Wiese steigt zwar der Gehalt an Vitamin D, dafür gehen andere Vitamine und Nährstoffe verloren. Der Wassergehalt des Heus sinkt bei natürlicher Trocknung zudem nur langsam und liegt letztlich noch deutlich über dem Wassergehalt bei künstlicher Trocknung. Dadurch steigt die Gefahr einer Besiedlung mit Bakterien und Schimmelpilzen, insbesondere wenn das rel. feuchte Heu anschließend gepresst oder in Plastiktüten verpackt wird. Ein weiterer Aspekt ist, dass lange in der Sonne getrocknetes Heu stark ausbleicht und nicht mehr aromatisch riecht (33).

Was ist zu tun, um eine ausreichende Vitamin D-Versorgung zu gewährleisten?

Vitamin D-Zufuhr mit dem Futter
Eine ausreichende Zufuhr von Vitamin D ausschließlich mit dem Futter ist tatsächlich nur durch substituierte Futtermittel (v.a. Pellets) oder Nahrungsergänzungsmittel (Vitaminpräparate) möglich. Damit ist es allerdings schwierig, die Tiere wirklich bedarfsgerecht zu versorgen.
Pellets müssten, wenn sie die empfohlenen Gehalte an Vitamin D enthalten, in viel zu großen Mengen verfüttert werden. Diese würden die Tiere zu schnell satt machen, so dass andere (faserreiche) Futtermittel nur noch in geringer Menge gefressen würden und dies hätte einen unzureichenden Zahnabrieb und unerwünschte Gewichtszunahmen zur Folge.
Gänzlich abzuraten ist von der regelmäßigen Gabe handelsüblicher Multivitamin-Präparate. Diese enthalten oftmals extrem hohe Gehalte an Vitamin D. Da das Vitamin nicht bedarfsorientiert, sondern ggf. im Überschuss resorbiert wird, besteht schnell die Gefahr der Entstehung einer Hypervitaminose D. In Kombination mit den hohen Kalzium-Gehalten einer artgerechten Futterration drohen dann Organ- und Gefäßverkalkungen. Zudem enthalten solche Präparate auch hohe Dosen an anderen fettlöslichen Vitaminen, deren Zufuhr bei guter Fütterung überhaupt nicht erforderlich ist. Auch hier kann es zu Hypervitaminosen kommen.

Vitamin D-Aktivierung durch UV-Licht
Die Produktion des Prä-Vitamin D in der Haut erfolgt ausschließlich durch UV B-Strahlung, die durch Fensterglas nicht hindurchdringen kann.

  • Meerschweinchen in ganzjähriger Außenhaltung und Tiere, die zumindest ganzjährig regelmäßig Zugang nach draußen haben (z.B. Balkon, Terrasse) sind ausreichend mit natürlichem UV-Licht versorgt.
  • Meerschweinchen, die im Sommer in Außengehegen und im Winter in der Wohnung leben, sollten auch keine Probleme bekommen, da Vitamin D ein fettlösliches Vitamin ist und im Körper gespeichert wird. Geringe Mengen an Vitamin D können ggf. im Winter mit Hilfe von Pellets substituiert werden.
  • Bei Meerschweinchen, die ausschließlich in Innenhaltung leben, kann Abhilfe auf verschiedenen Wegen geschaffen werden:

     - die Fenster können geöffnet werden, um UV-Licht „ungebremst“ ins Zimmer einzulassen. Je         nach Außentemperatur ist diese Methode allerdings wenig praktikabel.
     - Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz von UV B-Lampen.

Die Frage ist nun: Wie bestrahlt man richtig mit UV-Licht? Und genau das kann zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht zufriedenstellend beantwortet werden.
Zwar stammen Wildmeerschweinchen aus den Anden, wo hohe UV B-Strahlungsintensitäten bestehen, allerdings sind die Tiere vorwiegend dämmerungsaktiv und bewegen sich dann im Schutz einer möglichst dichten Bodenbepflanzung, um nicht von Fressfeinden gesehen zu werden. Es ist also nicht davon auszugehen, dass die Tiere einer intensiven Bestrahlung ausgesetzt sein müssen, um ausreichend Prävitamin D in der Haut zu produzieren.
In verschiedenen Studien wurden durch UV B-Bestrahlung deutliche Erhöhungen der Vitamin D-Werte im Blut erzielt. Diese waren ähnlich bei 12-stündiger Bestrahlung über 18 Tage und über 6 Monate (23-25). Dies deutet darauf hin, dass bei Meerschweinchen (ebenso wie beim Menschen 35)) durch UV B-Bestrahlung keine Hypervitaminose D verursacht werden kann.
Von einer langen und intensiven Bestrahlung nach dem Motto „viel hilft viel“ ist aber dennoch abzuraten, da bekannt ist, dass eine zu intensive Bestrahlung mit UV-Licht auch negative Effekte haben kann, wie z.B. Entzündungen der Haut (Sonnenbrand), Hautkrebs, Immunsuppression und Augenschädigungen (36-38).
Es sind zukünftig also weitere Untersuchungen erforderlich, um zu zeigen, welche Bestrahlungsdauer und -stärke tatsächlich erforderlich sind, um Meerschweinchen ausreichend mit Vitamin D zu versorgen.

Anhand der bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse können derzeit nur vage Empfehlungen zur Bestrahlung mit UV B-Licht gegeben werden. Ob diese sinnvoll und richtig sind, wird sich erst durch weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen müssen.

  • Wir raten zur Verwendung von Leuchtstoffbirnen mit Leistungen von etwa 25 Watt - Hierzu einige Erklärungen:

Es handelt sich dabei um Vollspektrum-Tageslichtlampen mit UV B-Anteil. Die Wattzahl gibt die Leistung an. Angaben von 10.0, 8.0 oder 5.0 beziehen sich auf den Anteil des UV B- Lichtes. Eine 10.0 Birne hat somit einen UV B-Anteil von 10 %. Diese Angaben sind allerdings nur von untergeordneter Bedeutung. Wichtig ist die Bestrahlungsstärke, die in µW/cm2 angegeben wird. Bei den o.g. Studien erhielten die Meerschweinchen Bestrahlungen mit Stärken zwischen 21 und 70 µW/cm2. Diese Werte wurden etwa auf Augenhöhe der Tiere erzielt. Bei der natürlichen UV B- Exposition in Außengehegen, die im Schatten lagen, wurden Werte zwischen 26 und 67 µW/cm2 gemessen.
Wichtig ist also, dass auf der Verpackung angegeben ist, in welchem Abstand welche Bestrahlungsstärke erreicht wird, so dass die Leuchtstoffbirnen (sie passen in Standardfassungen E27) in entsprechender Höhe angebracht werden können.

  • Eine Bestrahlungsstärke von 70 µW/cm2 in Augenhöhe des Meerschweinchens sollte nicht überschritten werden
  • Die Bestrahlung kann 2-3 Stunden am Tag erfolgen, wenn die Meerschweinchen die Möglichkeit haben, sich der Bestrahlung vollständig zu entziehen. Werden kleinere Gehege bestrahlt, in denen die Tiere nicht gut ausweichen können, sollte eine Bestrahlungsdauer von 1 Stunde am Tag nicht überschritten werden.
  • Da UV-Lampen mit der Zeit an Leistung verlieren, müssen die Leuchtstoffbirnen alle 6 Monate erneuert werden.


Diagnose einer Hypovitaminose D
Der Vitamin D-Gehalt im Blut von Meerschweinchen kann bestimmt werden, allerdings existieren bisher keine Referenzwerte für diese Tierart und der verwendete Labortest wurde bisher nicht für das Meerschweinchen validiert, d.h., dass noch nicht klar ist, ob die Messmethode tatsächlich für Meerschweinchen geeignet ist und korrekte und belastbare Werte liefert.

Fazit
Die beste Möglichkeit, um die Vitamin D-Versorgung von Meerschweinchen zu sichern besteht darin, den Tieren Zugang ins Freie zu gewähren. Ist dies nicht möglich, so erscheint die kontrollierte Bestrahlung mit UV B-Licht geringer Intensität sinnvoller als die Substitution von Vitamin D mit dem Futter.




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