Praxis für kleine Heimtiere
Dr. Anja Ewringmann

Ratte



Fütterung

Ratten sind Alles-, in erster Linie jedoch Körnerfresser. Ihr Energiebedarf wird v.a. durch in Getreide und Sämereien enthaltene Stärke gedeckt. Diesen Futtermitteln fehlen allerdings viele Vitamine und sie weisen ein sehr ungünstiges Kalzium-Phosphor-Verhältnis auf. Die Futterration muss also aus verschiedensten Komponenten zusammengesetzt sein, um den Bedarf an Nährstoffen zu decken. Um nachvollziehen zu können, welche Futtermittel in der Ration sinnvoll und welche eher weniger geeignet sind, soll zunächst ein Blick auf die verschiedenen Nährstoffklassen geworfen werden.



Kleine Nährstoffkunde

1. Kohlenhydrate

Kohlenhydrate bestehen aus Zuckern. Eine Klassifizierung erfolgt entsprechend der Anzahl ihrer Zuckermoleküle:
Einfachzucker (Monosaccharide)
  • z.B. Fruchtzucker (Fructose): enthalten z.B. in Obst, Knollen- u. Wurzelgemüse
Zweifachzucker (Disaccharide)
  • z.B. Rübenzucker (Saccharose): enthalten z.B. in Knollen- u. Wurzelgemüse
Mehrfachzucker (Oligosaccharide)
  • z.B. Stachyose, Raffinose: enthalten z.B. in Hülsenfrüchten
Vielfachzucker (Polysaccharide)
  • Stärke: enthalten z.B. in Getreide, Getreideprodukten, Knollen- u. Wurzelgemüse
  • Zellulose: Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände
  • Pektine: enthalten in Stängeln, Blättern, Blüten, Obst, Gemüse
  • Inulin: enthalten in Grünpflanzen, Chicorée, Topinambur

 

Eine weitere Einteilung der Kohlenhydrate erfolgt nach der Art ihrer Verdauung:
  • Schnell verdauliche Kohlenhydrate werden im Dünndarm verdaut. Sie werden dort entweder direkt resorbiert (Einfachzucker) oder aber durch Verdauungsenzyme zunächst in Einfachzucker aufgespalten und dann resorbiert (Zweifachzucker, Stärke).
  • Langsam verdauliche Kohlenhydrate werden durch den Dünndarm hindurchgeschleust, gelangen in den Blinddarm und werden dort von Bakterien aufgespalten (Mehrfachzucker, Zellulose, Pektine, Inulin).

  

Rohfaser setzt sich aus zwei Hauptbestandteilen zusammen:
  • Verdauliche Rohfaser besteht vorwiegend aus Zellulose, also aus einem langsam verdaulichen Kohlenhydrat. Dieses Kohlenhydratmolekül besteht aus bis zu 10.000 Einfachzuckern, die sich zu festen Strukturen zusammenlagern und reißfeste Fasern in Pflanzenteilen bilden. Verdauliche Rohfaser dient als Nährsubstrat für die Blinddarmbakterien.
  • Unverdauliche Rohfaser ist das Lignin, eine Substanz, die sich in pflanzliche Zellwände einlagert und zu deren Verholzung führt. Auch wenn Lignin weder im Dünn- noch im Blinddarm verdaut werden kann, so ist es doch ein wichtiger Nahrungsbestandteil. Es fungiert als Ballaststoff und fördert die Darmmotorik.
Ratten haben insgesamt nur eine begrenzte Fähigkeit zur Verdauung von Rohfaser. Ihr Anteil an der Gesamtration darf 10 % nicht übersteigen (15).


2. Eiweiße (Proteine)

Die Bausteine der Proteine sind Aminosäuren. In der Rattenernährung sind sowohl pflanzlichen als auch tierische Eiweiße von Bedeutung.

Pflanzliche Eiweiße können, ähnlich wie die Kohlenhydrate, nach der Art ihrer Verdauung eingeteilt werden:
  • schnell verdauliche Eiweiße sind „Samenproteine“. Diese finden sich in Pflanzensamen, Getreidekörnern, Hülsenfrüchten und Nüssen. Sie werden im Dünndarm durch Verdauungsenzyme gespalten und die Spaltprodukte (Aminosäuren) dann aus dem Darm resorbiert. Zu den schnell verdaulichen Proteinen gehören aber auch die Eiweiße, die im Blinddarm der Ratte gebildet und dann durch Fressen des Kotes (Koprophie) aufgenommen werden.
  • langsam verdauliche Eiweiße sind „Blattproteine“. Diese sind in allen Grünpflanzen (in unterschiedlicher Menge) enthalten und fest an die Zellwände der Pflanze gebunden.  Eine Zerlegung/Verdauung kann nur durch Blinddarmbakterien erfolgen.

Tierische Eiweiße liefern bestimmte Aminosäuren, die die Ratte nicht in der Lage ist selber herzustellen. Die Aufspaltung erfolgt durch Enzyme im Dünndarm.


3. Fette (Lipide)

Fette werden mit Hilfe von Enzymen im Dünndarm verdaut. Hohe Fettgehalte finden sich z.B. in ölhaltigen Saaten (z.B. Lein-, Anis-, Fenchelsamen), Nüssen, Kürbis- und Sonnenblumenkernen, aber auch in bestimmten Insekten, wie z.B. Mehlwürmern.


4. Vitamine

Wasserlösliche Vitamine


Zu den wasserlöslichen Vitaminen gehören Vitamin C sowie die Vitamine der B-Gruppe. Vitamin C können Ratten selber herstellen. Bei Infektionskrankheiten kann es dennoch sinnvoll sein, kurzfristig zusätzliches Vitamin C zuzuführen. Einige B-Vitamine (B2, B3, B5, B12) werden im Blinddarm durch die dortigen Bakterien hergestellt und stehen der durch Koprophagie zur Verfügung. Vitamin B4 wird in der Leber synthetisiert. Die übrigen B-Vitamine werden bei artgerechter Fütterung in ausreichender Menge zugeführt.

Fettlösliche Vitamine

Vitamin A ist wichtig für den Sehvorgang, die Gesunderhaltung von Haut und Schleimhäuten, die Fortpflanzung und Embryonalentwicklung sowie auch für ein intaktes Immunsystem. Ratten nehmen die Vorstufe des Vitamin A, das -Carotin, mit pflanzlicher Nahrung auf. In Grünfutter (z.B. frischen Wiesenkräutern, Löwenzahn, Spinat, Grünkohl) sind hohe -Carotin-Gehalte zu finden, aber auch in Karotten und Süßkartoffeln (16).
Vitamin D ist in pflanzlicher Nahrung nur in äußerst geringen Mengen vorhanden. Nennenswerte Gehalte finden sich nur in Pilzen und Avocados.
Vitamin E ist ein Antioxidans und fungiert als Zellschutz. Ratten nehmen ausreichende Mengen mit Getreide und Sämereien zu sich. Besonders hohe Gehalte sind in Nüssen und Sonnenblumenkernen vorhanden, aber auch verschiedene Grünfuttermittel, wie z.B. Grünkohl, Wirsing, Löwenzahn und Feldsalat sind gute Vitamin E-Lieferanten (16).
Vitamin K ist wichtig für die Blutgerinnung und in der pflanzlichen Nahrung des Kaninchens in ausreichenden Mengen vorhanden 16). Zudem wird Vitamin K im Blinddarm synthetisiert 4).

 

5. Mineralstoffe

Zu den Mineralstoffen gehören Kalzium, Phosphor, Natrium, Kalium, Magnesium und Chlorid. Da der Organismus rel. große Mengen dieser Stoffe benötigt, werden sie auch als Makromineralstoffe bezeichnet.

Bei der Ernährung wird ein Kalzium-Phosphor-Verhältnis des Futters von etwa 2:1 gefordert, um einen gesunden Knochenstoffwechsel zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass die Gesamtration doppelt so viel Kalzium wie Phosphor enthalten muss.
Das Hauptfutter von Ratten, nämlich Getreide und Sämereien, enthält allerdings ein sehr ungünstiges Kalzium-Phosphor-Verhältnis von 1:2. Durch weitere Komponenten muss also unbedingt Kalzium ergänzt werden. Insekten, als Lieferant von tierischem Eiweiß, besitzen ebenfalls ein ungünstiges Kalzium-Phosphor-Verhältnis. Obst sowie viele Gemüsesorten (z.B. Knollen- und Wurzelgemüse, Gurke, Paprika, Zucchini) enthalten nur rel. wenig Kalzium und zudem oft ebenfalls ein ungünstiges Kalzium-Phosphor-Verhältnis von etwa 1:1. Hohe Kalzium- bei niedrigen Phosphorgehalten besitzt dagegen strukturiertes Grünfutter (z.B. Küchen- und Wildkräuter).


6. Spurenelemente

Zu den Spurenelementen gehören Eisen, Jod, Fluorid, Mangan, Molybdän, Selen, Zink, Kupfer und Chrom. Bei artgerechter und vielseitiger Fütterung ist eine ausreichende Versorgung gesichert (16).


Kleine Futtermittelkunde

Getreide und Sämereien stellen die Grundnahrung von Ratten dar und sollten täglich in einer ausgewogenen Mischung angeboten werden (ca. 1-1,5 EL/Tier/Tag). Es werden verschiedene Arten von Saaten unterschieden:

 Mehlsaaten sind reich an Stärke und sollten den Hauptteil der Körnermischung ausmachen.

  • Getreide und Getreideflocken wie Gerste, Hafer, Roggen und Weizen sowie zudem z.B. Buchweizen, Dinkel, Amaranth und Grünkern. Auch Mais zählt zu den Mehlsaaten, sollte aber wegen seiner hohen Energiedichte allenfalls in sehr geringen Mengen in der Mischung enthalten sein.
  • feine Saaten, wie Hirse (z.B. Rote Hirse, Gelbe Hirse, Zwerghirse, Silberhirse) und Grassamen (z.B. von Rot-, Rohr- und Wiesenschwingel, Knäuelgras, Weidelgras, Wiesenrispe, Kanariengras). Grassamen werden von Ratten allerdings oftmals verschmäht.

 

 


Ölsaaten sind reich an Fetten (Ölen) und wirken daher als „Dickmacher“. Ihr Anteil an der Ration sollte daher nur gering sein. Zu den Ölsaaten gehören z.B. Samen von Anis, Kümmel, Fenchel, Mariendistel, Mohn, Sesam und Lein.


Keimfutter bereichert den Speiseplan der Ratte. Es kann aus der vorhandenen Körner- und Samenmischung selber hergestellt werden und sollte verfüttert werden, wenn die ersten Keime durchbrechen.

Keimfutter sollte nur in kleinen Mengen angeboten werden und die Tiere müssen sich daran gewöhnen, da die Eiweißgehalte hoch sind. Es muss außerdem auf die hygienische Qualität geachtet werden. Liegt das Futter zu lange, neigt es schnell zur Schimmelbildung. Vor dem Verfüttern sollten die Keimlinge gründlich gewaschen werden.


Frischfutter sollte täglich angeboten werden, um Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente sowie Rohfaser zu ergänzen.

Strukturiertes Grünfutter (z.B. Küchenkräuter, Wildkräuter, Salate) sollte den Hauptanteil des Frischfutters ausmachen.

Gemüse, z.B. Wurzel- und Knollengemüse (z.B. Möhre, Knollensellerie, Wurzelpetersilie), Fruchtgemüse (Paprika, Gurke, Zucchini), Blattgemüse (z.B. Salate, Spinat, Chicorée), Kohlgemüse (Brokkoli, Blumenkohl, Kohlrabi), Stielgemüse (Staudensellerie, Fenchel).
Knollen- und Wurzel- sowie Fruchtgemüse sollten nur in geringen Mengen verfüttert werden, da die darin enthaltenen Gehalte an Rüben- bzw. Fruchtzucker recht hoch sind.

Obst (z.B. Apfel, Birne, Melone, Beerenfrüchte) enthält hohe Mengen an Fruchtzucker und damit viele Kalorien. Es sollte daher nur in geringen Mengen angeboten werden.

Besonders Kräuter sollten bei Ratten einen größeren Anteil der Frischfutterration ausmachen, um den Tieren ausreichend Kalzium zuzuführen! Hohe Kalzium- und geringe Phosphorgehalte finden sich zudem in Spinat, Mangold und Grünkohl.


Nagematerial muss immer vorhanden sein, damit die lebenslang nachwachsenden Schneidezähne abgenutzt werden und die Tiere ausreichend beschäftigt sind. Geeignet sind z.B. Äste von ungespritzten Obstbäumen, Weide und Haselnuss. Blätter und Rinden sind zudem gute Kalziumlieferanten.


Tierisches Eiweißfutter ist in der Rattenfütterung unbedingt erforderlich und sollte zwei- bis dreimal wöchentlich angeboten werden. Trächtige und laktierende Ratten benötigen täglich tierisches Protein. Geeignet sind:

Getrocknete oder lebende Insekten, wie z.B. Mehlwürmer (hoher Fettgehalt!), Soldatenfliegenlarven, Puppen von Seidenraupen, Heimchen oder Bachflohkrebse Nicht alle Ratten akzeptieren dieses Futter allerdings. Als Alternativen können Milchprodukte (z.B. Magerquark, Magerjoghurt, milder Käse), hartgekochtes Ei oder Katzentrockenfutter (Seniorfutter mit reduziertem Salzgehalt) angeboten werden.


Getrocknete Futtermittel sollten ebenfalls zur Ration ergänzt werden.

Getrocknete Kräuter, Blüten und Blätter (z.B. Minze, Melisse, Petersilie, Spitzwegerich, Blüten von Kornblume, Sonnenblume u. Gänseblümchen, Blätter von Obstbäumen, Weide und Haselnuss) dienen der Ergänzung von Mineralstoffen (Kalzium!), Spurenelementen und Rohfaser.

Getrocknetes Gemüse (z.B. Möhre, Knollensellerie, Rote Beete) kann in kleinen Mengen der Futterration beigemengt werden. Wegen des hohen Gehaltes an Rübenzucker sollte der Anteil jedoch nicht zu hoch sein.

Mischfuttermittel für Ratten sind in verschiedenen Variationen im Handel verfügbar. Sie sollten bzgl. Ihrer Qualität und Zusammensetzung allerdings genau überprüft werden. Viele dieser Futtermittel enthalten in großen Mengen aufgepoppte und eingefärbte Getreidebestandteile sowie Komponenten, die hohe Fett- und/oder Kaloriengehalte aufweisen, wie Erdnüsse, Sonnenblumenkerne und Mais. Solche Futtermittel sind nicht geeignet.



Leckerbissen dürfen gelegentlich in kleinen Mengen angeboten werden. Hierzu zählen z.B. Nüsse, Sonnenblumen- und Kürbiskerne, Erbsen- und Maisflocken sowie frischer Mais und ungekochte Nudeln.

Völlig ungeeignet sind dagegen viele der im Zoofachhandel angebotenen Leckerbissen, wie z.B. Joghurt- und Milchdrops oder Knabberstangen. Diese enthalten in großen Mengen Zucker und sollten daher nicht verfüttert werden.



Artgerechte Rationsgestaltung

Eine artgerechte Ration für Ratten setzt sich folgendermaßen zusammen:



Fütterungstechnik

Bedarfsorientierte Fütterung

Das Grundfutter von Ratten ist sehr energiehaltig und sollte daher nicht im Überschuss angeboten werden, da die Tiere sonst verfetten. Andererseits müssen Ratten, aufgrund ihrer hohen Stoffwechselraten, ständig Zugang zu Futter haben und sollten nie nüchtern sein.
Die Menge der Körner- und Saatenmischung sollte daher so gewählt werden, dass sie innerhalb von etwa 20 Stunden aufgefressen wird, die Tiere dann aber die Möglichkeit haben, auf energieärmere Futtermittel (z.B. strukturiertes Grünfutter, getrocknete Kräuter- und Blütenmischungen) auszuweichen.

 

Das Grundfutter von Ratten ist sehr energiehaltig und sollte daher nicht im Überschuss angeboten werden, da die Tiere sonst verfetten. Andererseits müssen Ratten, aufgrund ihrer hohen Stoffwechselraten, ständig Zugang zu Futter haben und sollten nie nüchtern sein.

Die Menge der Körner- und Saatenmischung sollte daher so gewählt werden, dass sie innerhalb von etwa 20 Stunden aufgefressen wird, die Tiere dann aber die Möglichkeit haben, auf energieärmere Futtermittel (z.B. strukturiertes Grünfutter, getrocknete Kräuter- und Blütenmischungen) auszuweichen.

 



Auf hygienische Qualität des Futters achten

Alle Futtermittel müssen stets hygienisch einwandfrei sein!

Frischfutter sollte frisch verfüttert oder im Kühlschrank gelagert werden. Frischfutter, das deutliche Konsistenzveränderungen oder Verfärbungen aufweist, darf nicht mehr angeboten werden. Längere Liegezeiten führen zur Besiedlung des Futters mit Bakterien und Pilzen und sollten daher vermieden werden (17).

Trockenfuttermittel müssen frei von Vorratsschädlingen (z.B. Kornkäfer, Dörrobstmotten) sein. Die Schädlinge selber schaden den Ratten zwar nicht, sie werden im Zweifel sogar gerne gefressen, jedoch wird durch ihre Ausscheidungen der Insekten das Futter feucht und weist dann schnell erhöhte Gehalte an Bakterien und Schimmelpilzen auf (18).


Fütterung als Beschäftigungsmöglichkeit

Um Langeweile zu verhindern, sollte Futter nicht ausschließlich aus Näpfen angeboten werden. Leckerbissen oder Gemüsestückchen können in Pappröhren oder in Buddelkisten mit Papier- oder Baumwolleinstreu versteckt oder an Spießen erhöht angebracht werden, so dass die Tiere sich das Futter „erarbeiten“ müssen.


Wasserversorgung

Frisches und sauberes Trinkwasser muss Ratten zu jeder Zeit frei zugänglich sein. Es kann sowohl aus Näpfen als auch aus Trinkflaschen angeboten werden.


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